Die Verfluchten
Bisher hat sie jedem Mann,
der ihren Weg gekreuzt hat, über kurz oder lang den Untergang gebracht.«
»Und dann bringst du sie hierher?«, fragte Faruk.
Ali Jhin wurde noch ein bisschen blasser, als er sowieso schon war.
»Sie wird nicht lange genug in Eurem Besitz sein, um Euch gefährlich werden zu können«, sagte er hastig. Trotzig fügte er noch hinzu:
»Und es war Euer ausgesprochener Wunsch, sie zu besitzen, Emir.
Erinnert Euch, dass Ihr darauf bestanden habt, sie zu kaufen.«
Faruk trank einen weiteren Schluck Wein und begann den leeren
Becher nachdenklich in der Hand zu drehen. »Das ist wahr. Aber ich
kann mich nicht daran erinnern, dass du mich gewarnt hättest. Du
hättest mir sagen sollen, dass sie ein Dschinn ist.«
Ali Jhin fuhr heftig zusammen, als er diese Worte vernahm. »Sie ist
kein…«, begann er, wurde aber sofort wieder von Faruk unterbrochen.
»Natürlich nicht«, sagte der Emir. »Wir sind schließlich keine
dummen Kameltreiber oder Bauern, die an so etwas wie Dschinns
oder Geister glauben, nicht wahr?« Er lachte. »Aber trotzdem… deine Worte haben mich neugierig gemacht, Sklavenhändler. Auch,
wenn diese Frau kein leibhaftiger Dschinn ist, so muss es einen
Grund für all die Dinge geben, die man sich über sie erzählt. Ist es
wahr, dass sie deinen Leuten jetzt schon seit mehr als zwanzig Jahren
Widerstand leistet?«
Ali Jhin fuhr erneut und noch heftiger zusammen und blickte Faruk
auf eine Art an, die Andrej klar machte, dass er dem Emir davon bisher nichts erzählt hatte und dass es ihm auch nicht besonders angenehm war, dass Faruk offensichtlich davon wusste.
»Ich frage mich«, fuhr Faruk fort, »ob es sich nicht lohnt, herauszufinden, was diese Frau so überaus wertvoll zu machen scheint.« Er
hob den leeren Becher, und ein Schatten in einer Nische in der Wand
erwachte zum Leben und verwandelte sich in einen breitschultrigen
Mann in der Uniform der Palastgarde, der lautlos herbeikam, den
Becher seines Herrn wieder füllte und sich dann ebenso lautlos und
rasch wieder zurückzog. Faruk trank einen weiteren Schluck und
fuhr dann in beiläufigem Ton fort: »Ich glaube, ich werde versuchen,
es zu ergründen.«
Ali Jhin japste nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Auch,
wenn es schwer war, in seinem verunstalteten Gesicht irgendeine
Regung zu erkennen, so war das Entsetzen, das in seinem einzigen
verbliebenen Auge plötzlich aufflammte, doch unmöglich zu übersehen. »Was… was soll das heißen?«, keuchte er.
»Dass ich sie behalten werde«, antwortete Faruk.
»Aber! Aber das könnt Ihr doch nicht… nicht tun!«, stammelte Ali
Jhin.
Faruk lachte leise. »Natürlich kann ich das. Sie gehört mir. Ich habe
sie erst gestern von dir gekauft und einen guten Preis dafür bezahlt,
wenn du dich erinnern willst.«
»Das… das meine ich nicht«, stammelte Ali Jhin. »Sie… sie ist Eurer nicht würdig, Herr. Sie ist ein altes und verschlagenes Weib. Ich
kann Euch Frauen bringen, die jünger und zehnmal schöner sind als
sie, und billiger dazu.«
Faruk lachte nur noch einmal. »Deine Sorge um mein Wohlergehen
rührt mich wirklich, Sklavenhändler«, höhnte er. »Aber sie ist nicht
nötig. Frauen, die mir gern zu Diensten sind, habe ich genug. Beinahe mehr, als ich will. Manchmal sind es gerade die spröden, die das
Herz eines Mannes erfreuen. Macht es nicht auch dir viel mehr Freude, etwas zu erobern, als etwas geschenkt zu bekommen? Und was
ihr Alter angeht…« Er zuckte mit den Schultern und seufzte übertrieben. »Auch, wenn ich es nicht gern zugebe, aber ich bin nicht
mehr der Jüngste. Manchmal hat man gern Gesellschaft von Menschen seines eigenen Alters.«
»Aber Herr!«, stammelte Ali Jhin. Er klang jetzt nur noch verzweifelt. »Ich flehe Euch an! Ihr müsst sie…«
»Ich muss gar nichts«, unterbrach ihn Faruk, kalt, schneidend und
so laut, dass Ali Jhin hastig einen Schritt vor ihm zurückwich und
seine Hände zu zittern begannen. »Es reicht, Sklavenhändler! Geh zu
deinen Freunden und teile ihnen das mit.«
»Das werden sie nicht akzeptieren«, murmelte Ali Jhin.
»Sie werden es wohl müssen«, antwortete Faruk. »Sag ihnen, sie
können in einem Jahr wiederkommen und noch einmal nach ihr fragen. Sollte sie sich dann noch in meinem Besitz befinden, so ist es
gut möglich, dass ich ihr Geheimnis bis dahin gelöst oder aber das
Interesse an ihr verloren habe. Wir können dann gerne neu über den
Preis verhandeln. Im Augenblick steht sie
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