Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
gewichen zu sein, und seine Züge
wirkten schlaff und mutlos. Er war in die Rolle des Sklaven geschlüpft.
Andrej wandte sich wieder der hellhaarigen Frau zu und sah jetzt,
dass es ein rötlicher Farbton war, der ihren Haaren einen so vollkommen anderen Glanz gab als denen der anderen Sklaven. Sie
blickte ihn noch immer an - auf eine Art, die ihn sich zunehmend
unwohler fühlen ließ. Er glaubte zu spüren, dass sie ihn nicht verraten wollte, dass aber trotzdem irgendeine Art von nicht greifbarer…
Gefahr? von ihr ausging. Konnte es sein, dachte er erschrocken, dass
sie…?
Andrej lauschte einen Moment mit aller Konzentration in sich hinein. Aber da war nichts. Der einzige Unsterbliche, dessen Nähe er
spürte, war Abu Dun.
Was für ein verrückter Gedanke. Ein Wesen ihrer Art würde sich
ganz bestimmt nicht von Sklavenhändlern einfangen und in Ketten
legen lassen! So wenig, flüsterte eine Stimme in seinen Gedanken,
wie Abu Dun und er es getan hatten.
Als er die Augen wieder öffnete, hatte die Frau den Kopf gedreht
und sah in eine andere Richtung. Abgesehen von ihrem Kleid, das
darauf hinwies, dass sie noch vor kurzem eine mächtige und reiche
Frau oder das Eheweib eines mächtigen und reichen Mannes gewesen war, war an ihr absolut nichts Außergewöhnliches.
    Es verging noch eine geraume Weile, bis sich endlich die meisten
Sklavenhändler durch die schmale Pforte gezwängt hatten und nun
auch die Sklaven an der Reihe waren. Zeit, in der Andrejs Fantasie
mehr als ausreichend Gelegenheit fand, ihm klar zu machen, woran
ihr wahnwitziger Plan scheitern würde. Plötzlich durchfuhr ihn ein
eisiger Schrecken. Als sich das Grüppchen Sklaven dem Tor näherte,
hielt einer ihrer Bewacher mitten in der Bewegung inne und maß
Abu Dun mit einem sehr langen, sehr misstrauischen Blick. Wenn sie
jetzt entdeckt wurden, waren sie verloren. Waffenlos und nur zu
zweit würden ihnen nicht einmal mehr ihre übernatürlichen Kräfte
helfen, der Falle zu entkommen, in die sie sich freiwillig begeben
hatten.
    Aber der gefährliche Moment verstrich, der Krieger schüttelte fast
unmerklich den Kopf und versetzte nur dem ihnen am nächsten stehenden Sklaven einen derben Stoß zwischen die Schulterblätter, der
diesen vorwärts taumeln ließ. Dicht hinter Abu Dun und dem Mann,
an den er vermeintlich festgebunden war, erreichte Andrej das Tor.
    Es kam noch einmal zu einem kurzen Aufenthalt, weil Abu Duns
massige Schultern einfach zu breit zu sein schienen, um durch die
schmale Öffnung zu passen. Schnaubend und ächzend schob sich der
Nubier hindurch, und der Mann, der auf der anderen Seite stand, ließ
sich die Gelegenheit nicht entgehen, ihm einen Hieb mit seiner kurzen Peitsche zu versetzen. Andrej hielt instinktiv den Atem an und
war überzeugt davon, dass dem Geräusch von Leder, das auf nackte
Haut klatschte, unmittelbar das eines brechenden Genicks folgen
musste, aber zu seiner Erleichterung beherrschte sich Abu Dun und
schenkte dem Mann nicht einmal einen wütenden Blick, sondern zog
den Kopf zwischen die Schultern und spielte perfekt den Eingeschüchterten. Was nichts daran änderte, dass er sich mit ziemlicher
Sicherheit das Gesicht des Kerls gemerkt hatte.
    Das Tor führte in einen kurzen Gewölbegang, hinter dem sie ein
weiter, oval geformter Innenhof erwartete, der großzügig gewirkt
hätte, hätten nicht mindestens zwei Dutzend Lagerfeuer darauf gebrannt, an denen zahlreiche Männer saßen. Trotz der fortgeschrittenen Stunde sah Andrej nirgends auch nur eine einzige schlafende
Gestalt, genoss aber dafür das zweifelhafte Vergnügen, von zahllosen, misstrauischen Augen angestarrt und prüfend gemustert zu werden. Die Sklaven wurden währenddessen sehr hastig zu einer niedrigen Tür geführt, die unweit des Tores tiefer in eines der aus verwittertem Sandstein erbauten Gebäude hineinführte. Es waren nur wenige Schritte.
    Andrej sah sich schnell möglichst unauffällig um, um so viele Informationen wie nur möglich zu sammeln, die ihnen später nützlich
sein konnten. Viel war es nicht, denn der Hof bestand im Grunde nur
aus einem leicht verschobenen Viereck, das an drei Seiten von hohen, mit schmalen Fenstern versehenen Gebäuden und an der vierten
von der Mauer mit dem Tor gebildet wurde. Hinter etlichen dieser
Fenster brannte Licht, was Andrej vermuten ließ, dass es in dieser
Festung noch sehr viel mehr Männer gab, als er ohnehin schon befürchtet hatte. Wie hatte er sich nur auf diesen

Weitere Kostenlose Bücher