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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Gedanken innewohnen mochte, durchaus seinen Zweck erfüllte, denn wer würde schon
einen halb verhungerten Sklaven kaufen, der nicht arbeiten konnte?
Bei Abu Dun sah die Sache dagegen anders aus. Ohne seinen Turban und den schwarzen Mantel wirkte er zwar nicht mehr wie ein
Riese, der einer finsteren Geschichte entsprungen war - einer, die
man Kindern niemals erzählen würde -, aber er überragte die meisten
Männer doch immer noch um gute Haupteslänge. Obwohl Andrej
durchaus wusste, dass sein Körper aus nichts anderem als stahlharten
Muskeln bestand, war er doch unglaublich massig.
Und es gab noch ein Problem, und möglicherweise ein weitaus grö
ßeres.
Die Gefangenen waren ausnahmslos gefesselt. Manche von ihnen
mit Ketten, die meisten nur mit Stricken, mit denen ihre Hände auf
dem Rücken zusammengebunden waren. Spätestens wenn man sie
durch das Tor führte, musste ihren Bewachern auffallen, dass mit
zweien von ihnen etwas nicht stimmte.
Abu Dun schien das Problem im selben Moment erkannt zu haben
wie Andrej, denn er schob sich unauffällig an einen dunkelhaarigen
Burschen heran, der genau wie er nur mit einer knielangen Hose bekleidet war. Seine Hände waren mit einem groben Strick auf dem
Rücken zusammengebunden, und das lose Ende dieses Strickes war
lang genug, dass es fast bis zum Boden reichte. Abu Dun trat hinter
den Jungen, ergriff das lose Ende, wickelte es sich um die Handgelenke und verbarg den kurzen, verbliebenen Rest so in der Faust,
dass es auf den ersten Blick tatsächlich so aussah, als wären er und
der andere zusammengebunden.
Der Junge wandte überrascht den Kopf, und Andrej sah, wie sich
seine Augen ungläubig weiteten, als er des schwarzen Riesen hinter
sich gewahr wurde. Abu Dun schenkte ihm einen finsteren Blick und
deutete nur ein Kopfschütteln an. Andrej konnte trotz der Dunkelheit
sehen, wie alle Farbe aus dem Gesicht des Jungen wich und er sich
hastig wieder nach vorn drehte.
Nachdem man die Sklaven in ihre Unterkünfte gebracht hatte, würde die Neuigkeit von dem Riesen, der sich freiwillig unter sie gemischt hatte, in der ganzen Festung die Runde machen. Andrej hatte
immer noch keine rechte Vorstellung davon, was Abu Dun hier eigentlich zu finden hoffte, aber ihm war klar, dass sie es schnell finden würden oder überhaupt nicht.
Immerhin war Abu Duns Idee nicht die schlechteste. Andrej schob
sich unauffällig hinter einen Mann, der auf ähnliche Art gefesselt war
wie der Junge, hinter dem Abu Dun aufragte wie ein Berg aus
schwarzem Fleisch, löste kurzerhand seine Handfesseln und schenkte
dem Burschen, als er überrascht zu ihm herumfuhr, ein so eisiges
Lächeln, dass dieser ihn nur fassungslos anstarrte und es nicht wagte,
auch nur einen Ton von sich zu geben, während Andrej seine Hände
erneut band, diesmal so, dass der verbliebene Rest des Strickes ausreichte, um sich auf die gleiche Art - scheinbar - an ihn zu fesseln
wie Abu Dun es bei seinem Vordermann getan hatte.
Das intensive Gefühl, angestarrt zu werden, ließ Andrej aufsehen.
Fest davon überzeugt, dass einem der Wächter ihr sonderbares Verhalten aufgefallen war, sah er sich hastig nach rechts und links um.
Aber die Bewaffneten nahmen weder von ihm noch von Abu Dun
Kenntnis, so wenig wie von irgendeinem Einzelnen hier, sondern
schienen ihre ganze Konzentration darauf zu richten, das Gesamtbild
im Auge zu behalten.
Doch das Gefühl, beobachtet zu werden, wurde stärker.
Dann erkannte er den Grund dafür.
Nur ein paar Schritte links von ihm stand eine Frau mit sonderbar
hellem, fast hüftlangem Haar, die ihn nicht aus den Augen ließ. Sie
trug ein einfaches weißes Kleid, das irgendwann einmal recht ansehnlich gewesen sein musste, jetzt aber nur noch aus schmutzigen
Fetzen bestand, und war von schlankem Wuchs. Es war zu dunkel,
als dass Andrej ihr Gesicht erkennen konnte, aber irgendetwas
stimmte mit ihrem linken Auge nicht. Andrej konnte nicht sagen,
was es war, aber es war ein äußerst irritierender Anblick.
Er drehte den Kopf und versuchte, Abu Duns Aufmerksamkeit zu
erregen, doch der Nubier blickte starr geradeaus. Plötzlich wirkte er
gar nicht mehr so riesenhaft und gefährlich wie bisher. Obwohl er
noch immer alle Umstehenden weit überragte, strahlte er nichts mehr
von der unwiderstehlichen Kraft und Wildheit aus, die normalerweise ausreichte, selbst tapfere Männer bei seinem bloßen Anblick die
Flucht ergreifen zu lassen. Jegliche Energie schien aus seinem Körper und auch aus seinem Gesicht

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