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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mit einem leisen
Scharren das Ufer erreichte. Genau genommen war Meruhe die Einzige, die es nicht tat. Aber auch darüber wollte er nicht nachdenken.

Abu Dun sprang als Erster aus dem Boot, verschätzte sich prompt
und landete mit einem gewaltigen Platschen im Wasser, das ihm bis
über die Knie reichte. Andrej und Meruhe folgten ihm deutlich vorsichtiger, indem sie bis zum Bug gingen und dann trockenen Fußes
auf den Strand hinuntersprangen, und Meruhe machte noch einmal
kehrt, um einige Worte mit dem Fischer zu wechseln. Andrej konnte
nicht verstehen, was sie sprachen, doch als sie sich wieder zu ihnen
gesellte, ging der Mann ebenfalls von Bord und begann ächzend und
unter sichtbar großer Anstrengung, seine Nussschale noch weiter auf
die Uferböschung heraufzuzerren. Abu Dun sah stirnrunzelnd in seine Richtung und überlegte anscheinend, zurückzugehen und ihm zu
helfen, schüttelte aber dann nur den Kopf und wandte sich mit einer
auffordernden Geste an Meruhe. »Wo ist jetzt die Handelsstation?«
    »Nur ein paar Schritte entfernt«, antwortete Meruhe. »Gleich hinter
den Dünen.«
Andrej sah an dieser Stelle des Ufers nichts, was den Namen Düne
verdient hätte, beließ es aber bei einem Schulterzucken und bedeutete ihr mit einer Geste, vorauszugehen. Abu Dun blieb demonstrativ
zwei Schritte zurück, und Andrej ertappte sich dabei, an Meruhes
Seite treten zu wollen, zwang sich dann aber dazu, auf den Nubier zu
warten. Abu Dun schien immer noch in einer Stimmung zu sein, in
der er eine solche Hinwendung ernsthaft übel genommen hätte. Andrej fragte sich, ob der Augenblick vielleicht nicht mehr fern war, in
dem er sich zwischen ihm und Meruhe entscheiden musste. Aber er
gestattete sich nicht, diesen Gedanken weiterzuverfolgen.
Meruhe behielt auch diesmal Recht: Das anderthalbgeschossige,
wuchtige Gebäude, das sie als eine Handelsstation bezeichnet hatte,
lag tatsächlich nur wenige Dutzend Schritte entfernt. Andrej fragte
sich nicht zum ersten Mal verblüfft, wie es Meruhe gelungen war, sie
drei Tage lang durch die Wüste zu leiten und dann so präzise an dieser Stelle des Ufers anzukommen, die offensichtlich ihr Ziel gewesen
war. Ein weiteres Geheimnis, das diese sonderbare Frau umgab, und
eines, dessen Hintergrund er vielleicht gar nicht kennen wollte.
Im Haus brannte kein Licht. Der einzige, schmale Zugang - ein aus
massiven Balken erbautes Tor, das eher in eine Festung als in eine
Karawanserei gepasst hätte - war nicht verschlossen und führte in
einen schmalen Innenhof, in dem zwei schlafende Kamele, ein schlafendes Pferd und ein noch viel tiefer schlummernder Wächter sie
erwarteten. Meruhe bedeutete ihnen, den Mann in Ruhe zu lassen,
machte eine beruhigende Geste in Richtung des Pferdes, das irritiert
den Kopf gehoben und sie angesehen hatte, daraufhin aber weiterdöste, und lief mit zwei oder drei schnelleren Schritten voraus, um
das eigentliche Haus zu betreten. Sie sagte nichts, doch Andrej spürte, dass es ihr lieber war, wenn sie hier auf sie warteten, und so
machten sie nur einen Schritt ins Haus hinein und blieben dort stehen. Meruhes Schritte erklangen auf einer hölzernen Treppe irgendwo in dem dunkel daliegenden Raum, und ihr Echo verriet Andrej,
dass er groß und nur spärlich möbliert sein musste.
»Das gefällt mir nicht«, murrte Abu Dun.
»Was?«, fragte Andrej.
»Das alles hier«, entgegnete Abu Dun. Andrej spürte, dass er eine
ärgerliche Handbewegung machte. »Zuerst schindet sie uns und die
Tiere fast zu Tode, um uns erst vom Nil weg und dann wieder an
seine Ufer zu führen - angeblich, um möglichst schnell unsere Verfolger abzuschütteln, damit wir endlich zu ihrem Dorf reiten können
-, und jetzt scheint sie alle Zeit der Welt zu haben. Verdammt, da
stimmt doch etwas nicht.«
Wieder wollte Andrej widersprechen, und wieder hielt er sich im
letzten Moment zurück, als ihm klar wurde, dass er es nicht aus Überzeugung getan hätte, sondern einzig, weil er das Gefühl hatte, es
Meruhe schuldig zu sein. Vielleicht brauchte er einfach ein wenig
Zeit für sich selbst. Zeit, um mit sich ins Reine zu kommen, seine
Gedanken und vor allem seine Gefühle zu sortieren - und Abu Duns
Argumenten wenigstens eine Chance zu geben. Tief in sich fühlte er,
dass der Nubier Recht hatte. Er glaubte nicht, dass Meruhe sie belog
oder in irgendeiner Form hinterging, oder gar etwas Übles im Schilde
führte. Trotzdem war hier etwas nicht so, wie es sein sollte.

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