Die Verfluchten
und trotteten davon, während sie selbst zu der ärmlichen Fischerhütte
zurückgingen. Aus der Nähe betrachtet machte sie keinen besseren
Eindruck als von weitem. Es war eigentlich gar keine richtige Hütte,
sondern ein mit mehr gutem Willen als handwerklichem Geschick
zusammengezimmerter Steg, der ein gutes Stück weit ins Wasser
hineinragte. Über seinem am Ufer liegenden Ende war eine Art Verschlag aufgebaut und notdürftig mit Palmwedeln und Schilf gegen
Wind und die Kälte der Nacht abgeschirmt worden. Das Feuer, das
Andrej vorhin gesehen hatte, war erloschen, aber er konnte noch
immer den Geruch von schmorendem Stroh in der Luft wahrnehmen,
das offensichtlich nicht ganz trocken gewesen war, als man es angezündet hatte.
Aus seinem unguten Gefühl wurde etwas, was verdächtig nahe an
Entsetzten grenzte, als Meruhe ohne zu zögern auf den Steg hinaustrat und er sah, was an seinem Ende lag. Es war zweifellos ein Boot -
zumindest nahm Andrej an, dass sein Besitzer es für ein solches hielt
-, und es ähnelte in Bauart und Besegelung auch den typischen Daus,
wie sie zu Hunderten auf dem Nil verkehrten. Aber es war winzig,
und Andrej konnte den Geruch von faulendem Holz und morschem
Segeltuch wahrnehmen, als sie näher kamen. Er war nicht sicher, ob
dieses schwimmende Wrack Abu Duns Gewicht gewachsen war,
geschweige denn dem von gleich vier Menschen.
Abu Dun ging zwar hinter ihm, schien aber ziemlich genau zu spüren, wie sich Andrej fühlte, denn während sie über den langen Steg
schritten, der unter ihrem Gewicht hörbar knirschte und sich auch ein
bisschen hin und her zu bewegen schien, lachte er plötzlich leise und
sagte: »Mach dir keine Sorgen, Hexenmeister. Mittlerweile bin ich
ein ausgezeichneter Schwimmer. Wenn wir untergehen, rette ich
dich.«
Andrej schwieg dazu, Meruhe jedoch nicht. »Das ist wirklich nobel
von dir«, sagte sie amüsiert, »wenn auch vollkommen überflüssig.«
»Wieso?«, fragte Abu Dun, schon wieder in schärferem Ton.
»Willst du mir erzählen, du wärst sicher, dass es dieser Kahn bis zum
anderen Ufer verschafft?«
Ihre Stimme klang noch amüsierter, als sie antwortete. »Nein«, sagte sie kopfschüttelnd. »Trotzdem wird es nicht nötig sein, zu
schwimmen. Es gibt hier sehr viele Krokodile, weißt du?«
Erst, als sie bereits auf dem Fluss waren und sich ein gutes Stück
vom Ufer entfernt hatten, begriff Andrej wirklich, wie knapp es gewesen war. Geräusche wehten vom Ufer aus zu ihnen hin, im ersten
Moment dumpf und verzerrt und nicht zu identifizieren, doch sie
nahmen rasch an Klarheit und Lautstärke zu, sodass er bald eine große Anzahl Berittener als deren Verursacher identifizierte, deren Silhouetten kurz darauf in der Nacht auftauchten. Weder Abu Dun,
noch Meruhe oder er selbst verloren auch nur ein Wort darüber, doch
Andrej konnte sich eines eisigen Fröstelns nicht ganz erwehren, als
ihm klar wurde, wie knapp Faruk und seine Krieger sie verfehlt hatten.
Auch der Rest der Überfahrt verlief ungefähr so, wie Andrej es erwartet hatte: Das Boot entpuppte sich tatsächlich als das Wrack, als
das er es auf den ersten Blick eingeschätzt hatte. Schon nach wenigen Augenblicken standen sie fast bis zu den Knöcheln im Wasser,
und die maroden Planken ächzten und knirschten unter ihrem Gewicht, als wolle der verrottete Kahn jeden Moment auseinander brechen. Der Fischer, der sich wahrscheinlich sonst nie so weit auf den
Fluss hinauswagte, sprach während der gesamten Zeit kein Wort,
sondern bedachte ihn mit abschätzenden, Abu Dun mit furchtsamen
und Meruhe mit gierigen Blicken.
Meruhes Bemerkung über die Krokodile erwies sich nicht als der
Scherz, für den er ihn gehalten hatte. Andrej spürte eine Bewegung
und eine beunruhigende Präsenz im Wasser, lange bevor er die riesigen Kreaturen sah. Mehr als einmal kamen sie dem Boot nahe genug,
um sie als schwarze, bedrohliche Umrisse dicht unter der Wasseroberfläche erkennen zu können, und Andrej war sicher, mindestens
einmal den hässlichen Kopf einer der riesigen Echsen aus dem Wasser auftauchen zu sehen und einen misstrauischen, gierigen Blick zu
spüren. Auch ihr Fährmann wurde immer nervöser, je weiter sie sich
der Flussmitte näherten. Wie es Meruhe gelungen sein mochte, ihn
zu diesem Abenteuer zu überreden, darüber wollte er lieber gar nicht
erst nachdenken.
Er war nicht der Einzige, der erleichtert aufatmete, als sie den Fluss
endlich überquert hatten und der Rumpf des Bootes
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