Die Verfluchten
von sich zu geben und seine Hände mit seinem Speichel zu bedecken. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Meruhe ein Kopfschütteln
andeutete und dann eine rasche, fast nicht sichtbare Bewegung mit
der linken Hand machte, und das Kamel ließ sich gehorsam in den
Sand des schmalen Uferstreifens sinken. »Nehmt das Zaumzeug und
die Sättel ab«, sagte sie. »Wir nehmen nur unsere Waffen und die
Wasserschläuche mit.«
Abu Dun rührte sich immer noch nicht, vielleicht auch deshalb,
weil sie außer ihren Waffen und den mittlerweile leeren Schläuchen
kaum noch etwas von Wert bei sich hatten.
»Wieso?«, wollte Abu Dun wissen.
»Weil wir die Tiere freilassen«, antwortete Meruhe. »Wir brauchen
sie nicht mehr. Und auf diese Weise sind sie wenigstens vor einem
gewissen Mann sicher, der sie sonst am Ende noch schlachten und
braten würde.«
Andrej hielt verwirrt in der Bewegung inne. »Wir brauchen sie
nicht mehr?«, wiederholte er, und Abu Dun fügte in bissigem Tonfall
hinzu: »Dann nehme ich an, dass wir den Rest der Strecke zu Fuß
gehen? Weil wir auf diese Weise schneller sind?«
Andrej konnte Meruhe ansehen, wie schwer es ihr fiel, immer noch
ruhig zu bleiben, aber sie beherrschte sich und machte eine Kopfbewegung in Richtung der Hütte, in der sie gerade gewesen war. »Der
Fischer bringt uns über den Fluss. Das Boot ist zu klein für die Kamele. Außerdem sind die Tiere völlig erschöpft. Sie würden uns ohnehin nicht mehr weit tragen können.«
Andrej warf einen erschrockenen Blick auf die gewaltige, täuschend ruhig daliegende Wasserfläche, an deren Ufer sie sich befanden. »Ein Boot?«, murmelte er. Blieb ihm denn gar nichts erspart?
»Auf der anderen Seite gibt es eine Handelsstation«, kam Meruhe
Abu Duns nächster Frage zuvor. »Dort werden wir frische Tiere bekommen.«
Abu Dun blickte einen Herzschlag lang nachdenklich in die Richtung, in der das jenseitige Ufer liegen musste. Zu sehen war es nicht.
Der Fluss und die Nacht waren miteinander verschmolzen und verschluckten alles, was deutlich weiter als einen Steinwurf entfernt
war. Ebenso gut hätten sie auch am Ufer eines gewaltigen Ozeans
stehen können. »Und warum ausgerechnet dort?«, fragte er schließlich. »Schließlich liegt dein Dorf auf dieser Flussseite.«
»Das schon.«
»Und warum wechseln wir dann auf die andere?«, wollte Abu Dun
wissen. »Wir verlieren auf diese Weise nur unnötig Zeit.«
»Wir verlieren noch eine Menge mehr, wenn wir hier bleiben«, beharrte Meruhe. Sie hatte das Kamel mittlerweile abgeschirrt und löste
jetzt mit geschickten Bewegungen seinen Sattelgurt. »Zum Beispiel
unser Leben. Die Tiere sind völlig erschöpft. Wenn wir auf dieser
Seite bleiben, holen uns Faruks Krieger ein, bevor die Nacht zu Ende
ist.«
»Und auf der anderen nicht?«, wunderte sich Abu Dun.
Meruhe kippte den schweren Kamelsattel einfach vom Rücken des
Tieres, stand auf und bedeutete auch Abu Duns Kamel, sich niederzulassen, weil der Nubier noch immer keinen Finger gerührt hatte.
»Sie werden uns nicht dorthin folgen. Das können sie gar nicht.«
Abu Dun nickte. »Ich verstehe. Sie haben Angst vor Booten, habe
ich Recht? Oder sind allesamt wasserscheu?«
»Nein, aber es gibt im weiten Umkreis nur dieses eine Boot, mit
dem man über den Fluss übersetzen könnte, ohne Gefahr zu laufen,
mehr als nur nasse Füße zu bekommen«, fuhr Meruhe ihn an. Sie war
jetzt sichtlich verärgert und gab sich auch keine Mühe mehr, es zu
verhehlen. »Und selbst dieses reicht für drei Leute, bestenfalls für
vier. Die nächste Fähre ist fast einen Tagesritt entfernt. Selbst wenn
sie diesen Umweg in Kauf nehmen, verlieren sie dabei so viel Zeit,
dass es gleichgültig ist.«
»Aber wir auch«, gab Andrej zu bedenken. »Schließlich müssen
wir zweimal den Fluss überqueren.«
»Das spielt keine Rolle«, sagte Meruhe. »Wir haben ohnehin keine
Möglichkeit, das Dorf zu erreichen, bevor Ali Jhin und seine Männer
dort sind. Und jetzt beeilt euch lieber, statt noch mehr Zeit mit unnützen Reden zu vergeuden.«
Abu Dun gab endlich auf und beließ es bei einem abfälligen Verziehen der Lippen, rührte aber noch immer keinen Finger, um Meruhe zu helfen. Sie dankte es ihm mit einem feindseligen Blick, befreite
auch das zweite Tier von Zaumzeug und Sattel und wedelte dann
ungeduldig mit der Hand. »Schnell jetzt.«
Andrej war nicht einmal sicher, wem diese Aufforderung galt, denn
die drei Kamele erhoben sich in einer nahezu synchronen Bewegung
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