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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schatten, der
über ihre Züge huschte. »Das war bisher so. Ja. Aber etwas… hat
sich geändert.«
»Und was?«, fragte Abu Dun.
Meruhe sagte nichts, aber nach einem Augenblick antwortete Andrej an ihrer Stelle. »Seth. Habe ich Recht? Er und die anderen.«
»Ja«, bestätigte Meruhe. »Ich weiß nicht, warum sie es getan haben.
Tausende von Jahren haben sie das Geheimnis dieses Ortes geachtet,
aber nun sind sie zu Faruk gegangen und haben ihm ihre Hilfe angeboten. Ich weiß nicht, warum.«
»Bist du deshalb nach Mardina gegangen und hast dich freiwillig
als Sklavin nehmen lassen?«, fragte Andrej.
»Ja«, sagte Meruhe. »Ich wollte Faruk warnen. Nur sehr wenige,
die sich auf einen Handel mit Seth und Osiris und den anderen eingelassen haben, haben jemals Gelegenheit gehabt, die Früchte dieses
Handels zu genießen. Ich wollte mit ihm reden, ihn warnen und ihn
vielleicht davon abbringen.«
»Und womöglich wäre es dir sogar gelungen, wären nicht plötzlich
zwei Dummköpfe aufgetaucht und hätten alles verdorben«, sagte
Andrej, doch diesmal schüttelte Meruhe überzeugt den Kopf.
»Nein«, sagte sie, »die Versuchung ist groß, das zu glauben, aber es
wäre nicht die Wahrheit. Faruk ist zu gierig und zu sehr von seiner
eigenen Macht überzeugt. Ich habe ihm gesagt, wer Seth und die
anderen wirklich sind. Er hat gesehen, wozu sie imstande sind. Aber
er glaubt immer noch, dass er sie am Ende betrügen kann. Es ist nicht
eure Schuld, Andrej.«
Sie hatten das Ende des Ganges erreicht, und Meruhe blieb stehen
und drehte sich noch einmal zu ihnen um. »Ihr müsst jetzt dicht bei
mir bleiben. Wenn ihr euch in diesen Gängen verirrt, findet ihr nie
mehr heraus.«
Abu Dun sah sie verwirrt an. »Ich sehe nur einen Gang. Und der
führt einfach nur geradeaus. Beziehungsweise«, fügte er mit einem
Blick auf die glatte, bunt bemalte Wand vor sich hinzu, »nirgendwo
mehr hin.«
»Bleibt einfach bei mir«, sagte Meruhe und ging weiter. Nicht nur
Abu Dun riss ungläubig die Augen auf und gab ein erstauntes Keuchen von sich.
    Vor ihnen erweiterte sich der Gang zu einer gewaltigen, rechteckigen Halle, die von einer Anzahl brennender Fackeln und Feuerschalen in mildes, gelbes Licht getaucht wurde. Andrej schätzte ihre Größe auf mindestens dreißig Meter im Quadrat, wenn nicht mehr, und
die Decke musste gut dreieinhalb oder vier Meter hoch sein.
    Dennoch wirkte die Halle beengt, weil sie bis zum Bersten voll gestopft war.
Es war eine Schatzkammer.
Wohin Andrej auch sah, erblickte er goldene und silberne Schalen
und Becher, Ziergefäße und Schmuckstücke, edelsteinbesetzte Waffen und Statuen, kostbare Krüge und reich verzierte Schwerter. Es
gab riesige, goldbeschlagene Truhen, lebensgroße Statuen, die Menschen und Tiere darstellten, aber auch unheimliche Zwitterwesen aus
beidem, zerbrechlich aussehende Krüge und Opferschalen aus Alabaster, daneben große, offen stehende Truhen voller Schmuckstücke
und winzige, kunstvoll angefertigte Modelle von Schiffen und Gebäuden, die ebenfalls über und über mit Gold und edlen Steinen besetzt waren. Mindestens ein halbes Dutzend lebensgroßer Statuen
stellten schwer bewaffnete Krieger dar, die den Eindringlingen mit
grimmigen Gesichtern entgegenblickten und deren Kleider und Waffen ebenfalls aus purem Gold zu bestehen schienen. Nicht weit entfernt erblickte Andrej gleich zwei Streitwagen mit ebenfalls lebensgroßen, kunstvoll aus Holz geschnitzten Pferden, und es gab nachgebildete Tiger, Löwen und sogar einen kleinen Elefanten.
»Das hier ist es, was Faruk will«, sagte Meruhe.
»Das kann ich verstehen«, murmelte Abu Dun. »Bei Allah! Was für
ein Schatz!« Seine Stimme bebte. Er klang erschüttert.
»Das ist… unfassbar«, flüsterte Andrej. Er spürte, wie aufmerksam
Meruhe ihn ansah; als erwarte sie eine ganz bestimmte Reaktion von
ihm.
»Das… das ist genug, um ein Königreich zu kaufen«, murmelte
Abu Dun fassungslos. Meruhe nickte zwar, sah Andrej aber weiter
auf diese sonderbare Weise an. Und es verging nur noch ein kurzer
Augenblick, bis ihm der Trugschluss in Abu Duns (und auch seinen
eigenen) Gedanken klar wurde.
»Ich kann verstehen, dass Faruk diese Reichtümer haben will«, sagte er. »Aber Seth?«
Wenn Meruhe die Wahrheit über sich und die anderen Unsterblichen erzählt hatte, dann waren er selbst und seine Begleiter dabei
gewesen, als dieses Grab gebaut worden war. Sie hatten es schwerlich nötig, nach einer halben Ewigkeit

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