Die Verfluchten
zurückzukommen, um es auszuplündern.
»Das ist wahr«, sagte Meruhe, die natürlich wieder seine Gedanken
gelesen hatte. »Komm mit, ich zeige dir, was sie wirklich wollen.«
Sie setzte sich unverzüglich in Bewegung, blieb aber nach zwei
Schritten schon wieder stehen und sah auffordernd zu ihm und Abu
Dun zurück. »Ihr müsst immer in meiner Nähe bleiben«, sagte sie.
»Wir dürfen uns nicht aus den Augen verlieren.«
Sowohl Abu Dun als auch Andrej traten gehorsam wieder neben
sie, auch, wenn Andrej dieses Verhalten mittlerweile albern vorkam.
Vielleicht hatte Meruhe ja Recht, und sie liefen tatsächlich Gefahr,
sich zu verirren (in einem einzigen, noch dazu geradeaus führenden
Gang!). Irgendetwas an Meruhe machte ihm allerdings klar, dass sie
diese Warnungen bitter ernst meinte, sodass er nichts von alledem
aussprach, was ihm auf der Zunge lag.
Meruhe deutete auf einen gewaltigen, von zwei lebensgroßen, aus
schwarzem Stein gemeißelten Kriegerstatuen flankierten Sarkophag,
der im hinteren Teil der Grabkammer stand. Zwischen all der Pracht,
dem aufgehäuften Gold und anderen Reichtümern wirkte er schlicht,
fast unauffällig, doch spürte Andrej, dass es etwas Besonderes mit
ihm auf sich hatte.
»Er ist noch… dort drin?«, fragte Abu Dun. Wahrscheinlich ohne
dass er selbst es auch nur gemerkt hätte, hatte er die Stimme zu einem beinahe ehrfürchtigen Flüstern gesenkt.
»Ramses?« Meruhe nickte. »Ja. Die Ruhe dieses Ortes wurde bisher nicht gestört. Und solange ich es verhindern kann, wird das auch
nicht geschehen.«
Andrej warf ihr zwar einen fragenden Blick zu, geduldete sich aber,
bis sie den riesigen steinernen Sarkophag erreicht hatten. Die beiden
Statuen, die ihn bewachten, schienen jeder ihrer Bewegungen aus
misstrauischen steinernen Augen zu folgen. Andrej konnte sich des
unheimlichen Gefühls nicht erwehren, dass ihn irgendetwas tatsächlich anstarrte, auf eine schweigende, aber sehr aufmerksame Art belauerte und jede seiner Bewegungen taxierte.
»Und das alles hier ist nur ein Grab?«, murmelte Abu Dun, während er sich mit immer größer werdendem Staunen und Unglauben
umsah.
»Es ist nicht nur ein Grab«, antwortete Meruhe. »Für die Menschen
damals war das kurze Leben auf dieser Welt nur die Vorbereitung
auf die Ewigkeit. Sie haben an ein Leben nach dem Tod geglaubt,
und so haben sie auch ihre Häuser für die Ewigkeit gebaut.«
Andrej trat zögernd an den Sarkophag heran. Von außen betrachtet,
war er nichts weiter als ein gewaltiger, steinerner Block, glatt und
ohne die kleinste Verzierung. Dennoch war er mit großer Kunstfertigkeit gebaut worden. Der Deckel, der aus einer mehr als handstarken, massiven Steinplatte bestand, war so perfekt angepasst, dass
man nicht einmal die Klinge eines Messers in den Spalt hätte schieben können. Dieses Behältnis war vielleicht nicht für die Ewigkeit
gebaut, dachte er, wohl aber für etwas, was ihr nach menschlichen
Begriffen so nahe kam, wie es nur ging.
Nachdenklich sah er Meruhe an. »Aber sie waren keine Unsterblichen.«
Er war selbst nicht sicher, ob das nun eine Frage oder eine Feststellung war. Vielleicht eine Frage, auf die er eine ganz bestimmte Antwort erhoffte.
Meruhe zögerte gerade eine Winzigkeit länger, als ihm lieb war.
»Nein«, sagte sie schließlich. »Aber sie hatten eine ziemlich konkrete
Vorstellung von der Unsterblichkeit.«
»Du meinst, sie haben nicht einfach nur daran geglaubt«, sagte Abu
Dun. »Sie haben es gewusst.«
»Ja«, sagte Meruhe, beinahe widerwillig, wie es ihm vorkam. Oder
war es schuldbewusst?
Andrej setzte zu einer Frage an, doch mit einem Male spürte er, wie
unangenehm Meruhe dieses Thema war. Vielleicht hatte Abu Duns
Frage an etwas gerührt, was sie lieber vergessen wollte. Statt sie weiter zu quälen, fragte er leise: »Kanntest du ihn?«
Meruhes Finger strichen fast zärtlich über den grauen Stein des
Sarkophags. »Ramses?« Sie nickte traurig. »Ja, ich kannte ihn. Ich
kannte ihn sogar sehr gut.«
Irrte er sich, oder schimmerten plötzlich Tränen in Meruhes Augen?
Ihre Finger fuhren weiter über den glatten rauen Stein des Sarkophags, aber es sah zumindest für Andrej nicht so aus, als berühre sie
toten Fels, vielmehr hatte diese Berührung etwas ungemein Zärtliches; die Hand einer Frau, die über die erkaltete Haut ihres verstorbenen Geliebten streicht und verzweifelt gegen den einzigen Feind
aufzubegehren versucht, dem nicht einmal ein Unsterblicher gewachsen
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