Die Verfluchten
war: die Zeit.
»Er war dein Mann«, vermutete Abu Dun. Andrej hasste ihn für
diese Frage. Meruhe schien sie jedoch nicht übel zu nehmen.
»Nicht offiziell«, antwortete sie mit einem sanften Lächeln. »Aber
wir waren… zusammen, ja.«
»Ramses und du?«, vergewisserte sich Abu Dun.
Verdammt noch mal, hör endlich auf!, fauchte Andrej wütend. Erst,
als Abu Dun nicht reagierte, sondern Meruhe ihn nur weiter durchdringend anstarrte, wurde ihm klar, dass er die Worte gar nicht laut
ausgesprochen, sondern nur gedacht hatte. Natürlich reagierte Abu
Dun nicht, aber Meruhe warf ihm einen raschen, dankbaren Blick zu,
bevor sie sich in betont sachlichem Ton an Abu Dun wandte.
»Die Pharaonen hatten zahlreiche Frauen. Und noch zahlreichere
Mätressen.« Aber das zwischen uns war etwas Besonderes, fügte ihr
Blick hinzu, und das so deutlich, dass offensichtlich selbst Abu Dun
die unausgesprochenen Worte verstand. Er wirkte für einen Moment
verlegen.
Andrej räusperte sich übertrieben. »Was interessiert Seth und die
anderen an ihm?«
Meruhe sah ihn einen Herzschlag lang fast feindselig an, dann erschien - sonderbarerweise - ein Ausdruck von Dankbarkeit in ihren
Augen. Menschen, dachte Andrej beiläufig, sind schon komplizierte
Geschöpfe. Ob sie nun sterblich sind oder nicht.
»Nicht an ihm«, antwortete Meruhe ruhig. »An dem, was zusammen mit ihm beigesetzt worden ist.«
Andrej sah sie fragend an. Abu Dun ebenfalls.
»Es würde zu weit führen, es jetzt zu erklären«, sagte Meruhe.
»Und ich fürchte, ihr würdet es auch nicht verstehen.« Der Blick, mit
dem sie Abu Dun und Andrej rasch nacheinander maß, war entschuldigend. »Ganz einfach, weil ihr es nicht könnt. Euch fehlt eine gewisse Erfahrung…« Sie hob in einer verlegenen Geste die Schultern.
»Vielleicht in drei- oder viertausend Jahren.«
»Hm«, machte Abu Dun. Andrej schwieg.
»Glaubt mir einfach«, sagte Meruhe. »Was sich in diesem Sarkophag befindet, darf nie in Seths Hände fallen. Niemals.«
Vielleicht war es die Einfachheit dieser Erklärung, die Andrej überzeugte. Er musste keine weitere Frage mehr stellen, um zu wissen,
dass sie Recht hatte.
Schließlich war es Abu Dun, der die Situation mit seiner pragmatischen Art entspannte. »Wo ist dann das Problem?«, fragte er. »Solange du ihn nicht hereinlässt…?«
Meruhe sah ihn auf eine unbestimmte Art traurig an. »Ich fürchte,
so einfach ist es nicht, mein Freund. Manche Dinge brauchen Zeit.
Aber manche werden komplizierter, je mehr Zeit vergeht.«
»Ah«, sagte Abu Dun. Er klang ungefähr so verständnisvoll, wie
sich dieses Wort anhörte.
Meruhe lächelte flüchtig, aber ihre Augen blieben ernst. »Glaubt
mir einfach. Uns bleibt weniger als eine Stunde, bis die Sonne aufgeht, und dann werden Faruks Truppen alles versuchen, um dieses
Grab zu stürmen.«
Abu Dun lächelte kalt. Seine Hand schloss sich um den Schwertgriff. »Sollen sie es versuchen.«
Meruhe sah ihn traurig an. »Ich weiß, dass du das so meinst, wie du
es sagst«, antwortete sie leise. »Aber es wäre sinnlos. Man kann vieles mit dem Schwert lösen, Abu Dun, aber nicht alles.« Sie machte
eine kleine, nervöse Geste. »Kann ich dich einen Moment allein lassen?«
Abu Dun blickte fragend.
»Können wir dich einen Moment allein lassen?«, verbesserte sich
Meruhe.
Diesmal blickte auch Andrej fragend.
»Ich möchte Andrej etwas zeigen«, sagte Meruhe. Hastig fügte sie
hinzu: »Es ist nicht, wie du denkst.«
»Ach«, fragte Abu Dun böse. »Und woher willst du wissen, was…«
Er sprach nicht weiter, und nach dem, was Andrej auf seinem Gesicht las, war das auch nicht nötig.
»Sieh dich hier um.« Meruhe versuchte zu lachen, aber es blieb bei
dem Versuch. »Der Pirat in dir muss doch jubilieren, wenn er all
diese Schätze sieht, oder?«
»Der Pirat in mir«, brummte Abu Dun säuerlich, »weint bittere
Tränen, wenn er an all die Schätze denkt, die er nicht mitnehmen
kann.«
Meruhe deutete ein Achselzucken an. »Wenn der Pirat in dir nicht
zu gierig wird«, sagte sie, »dann können wir vielleicht über das ein
oder andere Beutestück reden, wenn die Sonne das nächste Mal aufgeht.« Sie machte eine flatternde Handbewegung. »Sieh dich um.
Sieh nach etwas, was nicht nur den Piraten in dir zufrieden stellen
könnte. Aber hör auf mich und bleib in diesem Raum. Ganz egal,
was geschieht, geh nicht hinaus. Versprichst du mir das?«
Abu Dun nickte - wenigstens redete sich Andrej ein, dass die sonderbare
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