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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Tales aufgestellt hatte,
ohne dass irgendetwas geschah. Vielleicht bemerkte einer der Männer einen Schatten, von dem er meinte, dass er nicht dorthin gehörte,
möglicherweise vernahm jemand ein Geräusch, das nicht ganz ins
Lautgewebe der Nacht passen wollte, oder hatte das Gefühl, von einem Windhauch gestreift zu werden, doch niemand nahm Notiz von
ihnen, keine dieser Störungen war auffällig genug, dass ihr einer der
Krieger auch nur einen zweiten Gedanken schenkte oder gar mit seinem Nebenmann darüber sprach.
Und hier, unter freiem Himmel, und bar jeglicher Deckung kam
Andrej das, was Meruhe tat, noch viel unheimlicher und Furcht einflößender vor, als es ihre Flucht aus dem Palast in Mardina gewesen
war. Meruhe hatte sich große Mühe gegeben, Abu Dun und ihm zu
versichern, dass an ihrem Tun rein gar nichts Übernatürliches sei,
und Andrej glaubte ihr auch - doch das änderte nichts daran, dass es
ihm Angst machte.
Schließlich deutete Meruhe auf eine bizarr geformte Felsnadel, die
wie ein zurückgesetzter Wachturm ein gutes Stück hinter dem Eingang des Tales aufragte. Abu Dun und er folgten ihr in den schwarzen Schlagschatten der Steine, wo sie noch einmal innehielt und einen prüfenden Blick zurück zum Dorf und vor allem zu Faruks Kriegern warf, dann einen längeren, sehr viel aufmerksameren hinauf in
den Himmel.
Sie waren auf dem letzten Stück so schnell geritten, wie die Kamele
es nur konnten, und hatten auf diese Weise wenigstens etwas von der
verlorenen Zeit wieder aufgeholt. Andrej schätzte, dass ihnen bis
Sonnenaufgang noch eine gute Stunde blieb. Nach Meruhes Beschreibung musste der Eingang zu den Höhlen jetzt in unmittelbarer
Nähe sein, sodass er ihre Eile nicht mehr verstehen konnte.
Allerdings war es ihm auch ein Rätsel, wie sie die Menschen aus
ihrem Dorf hierher bringen wollte. Faruks Krieger hatten die gut
hundert Männer, Frauen und Kinder bisher weder in Ketten gelegt
noch auf andere Weise gefangen genommen, doch das war auch gar
nicht nötig. Die Truppen des Emirs hatten ihre Zelte überall im und
vor allem rings um das Dorf herum aufgeschlagen, sodass Meruhes
Leute bereits Gefangene waren, auch wenn sie bisher nur unsichtbare
Ketten trugen. Andrej hatte erlebt, wozu diese so zerbrechlich erscheinende Frau imstande war, wenn es sein musste, und er kannte
ebenso gut seine und Abu Duns Fähigkeiten. Nichts davon reichte
auch nur annähernd aus, um es mit ein paar hundert Kriegern aufzunehmen. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass Meruhe imstande
wäre, die gesamte Einwohnerschaft des Dorfes auf dieselbe Weise
hierher zu bringen, wie sie es gerade mit ihnen getan hatte.
»Dort«, flüsterte Meruhe. Gleichzeitig deutete sie auf einen bestimmten Punkt nur ein paar Dutzend Schritte entfernt. Als Andrej
angestrengt in dieselbe Richtung blickte, sah er nichts Außergewöhnliches, aber das hatte er auch nicht erwartet. Meruhe hatte ihnen gesagt, dass der Eingang zu dem Höhlenlabyrinth nur bei Sonnenaufgang sichtbar würde. Sie hatte behauptet, dass auch daran nichts Übernatürliches oder Magisches sei - eine Äußerung, die Andrej beim
Anblick der massiven Felswand immer zweifelhafter erschien. Vielleicht, versuchte er sich zu überzeugen, war der Spalt so geschickt
getarnt, dass er nur sichtbar wurde, wenn das Licht in einem ganz
bestimmten Winkel darauf fiel. Er hatte so etwas schon erlebt.
Abu Dun machte ein fragendes Gesicht, doch Meruhe ignorierte ihn
ebenso, wie sie es nun mit Andrej tat, und huschte geduckt los. Andrej warf noch einen sichernden Blick hinter sich, bevor er ihr folgte.
Der nächste Posten befand sich gut vierzig oder fünfzig Schritte hinter ihnen und sah nicht einmal in ihre Richtung. Dieser Teil des Tales
war vollkommen leer, als gäbe es eine unsichtbare Grenze, die Faruks Krieger nicht zu überschreiten wagten. Dennoch reichte ein einziger, zufälliger Blick, den einer der Männer in ihre Richtung werfen
mochte, um sie zu entdecken. Der schwarze Schatten der Felsnase
gab ihnen Deckung, aber auf dem letzten Stück bestand der Boden
nur aus staubfeinem Sand, aus dem hier und da ein paar Felsen aufragten wie Riffe aus der Oberfläche eines vertrockneten Ozeans.
Keiner von ihnen war groß genug, um auch nur einer Katze Deckung
zu bieten. Meruhes Macht, durch die Schatten zu gehen, endete spätestens da, wo es keine Schatten mehr gab.
Aber dieses Mal hatten sie Glück. Sowohl Meruhe als auch Andrej
und Abu Dun überwanden das

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