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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sklavenmarkt gegangen zu sein. Der Zwischenfall in Fasils Haus würde sich herumsprechen, und wie überall auf
der Welt verbreiteten sich vermutlich auch hier in Mardina Nachrichten umso schneller, je schlechter sie waren. Wenn Fasils Frau die
Wahrheit gesagt hatte und der Junge wirklich vom Sklavenmarkt
kam und nicht aus irgendeiner anderen finsteren Quelle, dann mochte
es sein, dass der entsprechende Händler nicht mehr da war, wenn sie
bis zum Abend warteten.
Andrej überlegte einen Moment lang ernsthaft, sein Arbeitsverhältnis zu seinem ungeliebten Dienstherrn vorzeitig und einseitig aufzukündigen und gleich zum Sklavenmarkt zu gehen - Abu Dun hätte
gewiss nichts dagegen gehabt -, verwarf den Gedanken aber dann
wieder. Immerhin hatten sie einen Handel mit Mustafa, und dass er
den fetten Krämer verachtete, änderte nichts daran, dass dieser seinen
Teil der Abmachung stets eingehalten und ihnen ihren Lohn gezahlt
hatte. Und wenn Mustafa jemals einen Leibwächter gebraucht hatte,
dann jetzt. Zumindest so lange, bis er wieder aus dem Haus kam.
Die Zeit wurde ihm lang. Sie war lang, wahrscheinlich eine Stunde,
wenn nicht mehr, aber Andrej kam sie noch sehr, sehr viel länger
vor. Auch Abu Dun fiel es offensichtlich immer schwerer, zu warten,
das spürte Andrej, auch wenn der Nubier reglos und wie eine lebensechte, aus schwarzem Stein gemeißelte Statue vor der Tür stand.
Endlich hörten sie, wie drinnen ein schwerer Riegel zurückgezogen
wurde, dann kam Mustafa wieder heraus.
Er machte ein Gesicht, als hätte er gerade erfahren, dass seine vier
Frauen umgebracht und alle seine Kinder in die Sklaverei verschleppt worden waren - er besaß nichts von alledem -, und schlurfte
mit hängenden Schultern niedergeschlagen an Abu Dun vorbei.
Kaum aber hatten sie das Geräusch gehört, mit dem die schwere Tür
hinter ihnen wieder ins Schloss fiel, richtete er sich auf und strahlte
über das ganze Gesicht. »Allah muss mich lieben«, jubelte er und
begann sich die kurzen, beringten Hände zu reiben. »Dieser Bursche
war ein harter Verhandlungspartner, aber am Ende habe ich ihn weiter heruntergehandelt, als ich mir vorzustellen gewagt hätte!«
Andrej tauschte einen kurzen beredten Blick mit Abu Dun. Er fragte sich, warum Mustafa eigentlich nicht selbst auffiel, dass er an diesem Tag vielleicht ein bisschen zu viel Glück auf einmal hatte. Bisher hatten sie den Kaufmann nicht unbedingt als den gerissensten
Vertreter seiner Zunft erlebt.
»Dann braucht Ihr uns jetzt nicht mehr, Mustafa?«, fragte er.
Mustafa sah ihn irritiert an und schien im ersten Moment nichts mit
der Frage anfangen zu können, dann hellte sich sein Gesicht auf. »Ah
ja, der Sklavenmarkt«, sagte er mit einem raschen anzüglichen Seitenblick in Abu Duns Richtung. »Nein, im Moment sind eure Dienste
wirklich nicht vonnöten. Geht ruhig, wenn es so dringend ist.« Sein
Grinsen wurde noch anzüglicher. »Aber verausgabt euch nicht zu
sehr. Es könnte sein, dass ich zur Feier des Tages heute Abend noch
die eine oder andere Überraschung für euch habe, meine Freunde.«
»Ich werde darauf Acht geben«, versprach Andrej hastig. »Der
Weg, Mustafa.«
»Ja«, sagte Mustafa, als wäre es ihm schon wieder entfallen gewesen. »Geht einfach vorne am Ende der Straße nach rechts und folgt
ihr, bis ihr zu einer großen Moschee gelangt. Ihr könnt sie nicht verfehlen. Die Straße gabelt sich davor. Dort wendet ihr euch nach links
und geht einfach geradeaus, und dann kommt ihr ganz von selbst
zum Sklavenmarkt.«
    Die Beschreibung, die ihnen der Kaufmann gegeben hatte, hatte
sich als richtig herausgestellt, allerdings schienen Andrejs Auffassung und die Mustafas darüber, was der Begriff nicht besonders weit bedeutete, doch ziemlich unterschiedlich zu sein. Mardina war eine
recht große Stadt, und Andrej hatte das Gefühl, dass der Markt für
Sklavenhändler an ihrem anderen Ende liegen musste. Sie hatten
sicherlich eine Stunde gebraucht, und je weiter der Tag fortschritt,
desto mehr Menschen schienen auf der Straße zu sein. Für den
Rückweg würden sie vermutlich noch länger brauchen.
    Falls sie zurückgingen. Das hing ganz von dem ab, was sie finden
oder erfahren würden.
Im gleichen Maße, in dem sie sich dem Sklavenmarkt näherten,
wuchsen Andrejs Zweifel, ob es tatsächlich richtig gewesen war,
Abu Dun mitzunehmen. Es war nicht nur so, dass der Nubier überall
auffiel, wo er auftauchte, Abu Dun war auch immer schweigsamer
und

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