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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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tat.
Schon nach kurzer Zeit wurde ihm ein - durchaus angenehmer -
Unterschied zum Basar bewusst. Niemand nahm von ihnen Notiz.
Überall wurde gehandelt und gefeilscht, doch was fehlte, waren die
fliegenden Händler, die nur zu oft wie aus dem Nichts auftauchten
und versuchten, jedem ihre Ware aufzuschwatzen, der auch nur entfernt so aussah, als hätte er einen Dinar in der Tasche. Auch die anderen Kunden, die es hierher verschlagen hatte, warfen ihnen allerhöchstem einen neugierigen Blick zu, aber niemand schien sich sonderlich für die beiden Fremden zu interessieren, die scheinbar ziellos
von Stand zu Stand schlenderten.
Plötzlich blieb Abu Dun stehen, und obwohl sein Gesicht nach wie
vor so reglos blieb, wie es die ganze Zeit über gewesen war, konnte
Andrej die Anspannung fühlen, die ihn mit einem Male ergriffen
hatte. Sein Blick folgte dem des Nubiers, der wie gebannt auf einen
der monströsen Verkaufsstände gerichtet war. Als er sich umdrehte,
begann sein Herz zu klopfen.
Auf dem Stand, dem Abu Duns besondere Aufmerksamkeit zu gelten schien, wurden ausnahmslos Schwarze feilgeboten. Das war an
sich nichts Besonderes; ein Gutteil der lebenden Waren, die es hier
gab, schien aus dem schwarzen Herzen Afrikas zu stammen, und
Andrej nahm sich nicht zum ersten Mal vor, irgendwann einmal herauszufinden, warum das so war. Etwas jedoch unterschied diese
Sklaven von all den anderen, die sie bisher gesehen hatten. Es dauerte nur einen Moment, bis Andrej begriff, was.
Es waren Nubier. Nicht einer der Männer, die dort oben mit schweren Ketten und eisernen Halsringen aneinander gebunden standen,
erreichte auch nur annähernd Abu Duns Größe und Massigkeit, und
doch waren sie ausnahmslos von erstaunlich großem Wuchs und
kräftiger Statur, und ihre Gesichter zeigten dieselbe irritierende Mischung aus afrikanischen und abendländischen Zügen, die für dieses
Volk so typisch war. Sie trugen saubere, ordentliche Kleidung und
schienen sich auch in guter körperlicher Verfassung zu befinden.
»Beherrsch dich«, flüsterte Andrej. Entgegen seiner eigenen Erwartung bekam er diesmal eine Antwort, auch wenn sie nur aus einem
angedeuteten Kopfnicken bestand. Aber die letzte Spur von Leben
schien aus Abu Duns schwarzen Zügen zu weichen. Selbst seine Augen waren mit einem Male kalt und wie tot. Andrej konnte nur hoffen, dass Abu Dun nichts Unbedachtes tat. Auch wenn er keinen dieser Männer kannte, so musste doch allein der Umstand, dass sie in
Ketten und entwürdigt dort oben standen, um wie ein Stück Vieh
oder ein Sack Korn zum Kauf angeboten zu werden, mehr sein, als
der Nubier ertragen konnte. Wenn Andrej in all der Zeit, die er mit
Abu Dun zusammen war, eines über dieses sonderbare Volk gelernt
hatte, dann, wie stolz es war. Er wusste, dass Abu Dun lieber sterben
würde, als ein Leben als Sklave zu führen.
Der Moment zog sich dahin. Der Verkäufer oben auf dem Podest
begann einen Sklaven nach dem anderen vorzustellen, um seine Vorzüge zu preisen, und aus den Reihen der Zuschauer wurden die ersten Gebote abgegeben, auf die der Bursche auf typisch orientalische
Art lautstark und mit weinerlicher Stimme reagierte, als hätte man
ihm ein unsittliches Angebot gemacht. Abu Dun stand immer noch
da und sagte kein Wort. Sein Blick fixierte den Verkäufer, und obwohl er keinen Laut von sich gab, keinen Muskel rührte, wurde der
Mann doch spürbar nervöser. Immer öfter sah er in ihre Richtung,
und das joviale Lächeln und die ausladenden Gesten, mit denen er
seine Sklaven lobte, wirkten jedes Mal ein bisschen gezwungener.
Natürlich fiel dieses Verhalten auch den anderen auf. Andrej verbot
es sich, hinzusehen, aber er spürte auch so, wie sich mehr und mehr
Gesichter in ihre Richtung wandten und fragende, aber auch misstrauische Blicke über Abu Duns Gestalt und Gesicht wanderten. Andrej korrigierte seine eigene Einschätzung: Abu Dun musste nichts
Unbedachtes tun, damit man sich später an sie erinnerte. Es reichte
schon, wenn er gar nichts tat.
Schließlich hatte der Nubier genug gesehen, vielleicht ertrug er den
Anblick auch einfach nicht mehr, und wandte sich ab. Andrej hätte
innerlich aufgeatmet, wäre Abu Dun nicht nach einem Schritt noch
einmal stehen geblieben und hätte den Kopf gewandt, um die Sklaven oben auf dem Podest kurz, aber sehr aufmerksam anzusehen.
Andrej redete sich ein, dass es nicht so war, aber es war einfach nicht
zu übersehen, dass sich Abu Dun jedes einzelne Gesicht

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