Die Verfluchten
waren.
»Andrej?«, flüsterte Abu Duns Stimme an seinem Ohr. Andrej hatte
nicht bemerkt, dass er ihm gefolgt war. Er hatte auch nicht bemerkt,
dass er selbst den Mantel zurückgeschlagen und die Hand auf den
Schwertgriff gelegt hatte. Hastig zog er die Finger wieder zurück,
gestattete seinem Blick aber nicht, Meruhes Gesicht auch nur für die
Dauer eines Atemzuges loszulassen. Wieso sah sie ihn nicht?
»Ah«, sagte der Sklavenhändler, der ein Stück neben und hinter
Meruhe stand und Andrej offensichtlich in diesem Moment erspäht
hatte. »Ein neuer Interessent? Und ein Mann mit Geschmack, wie ich
sehe.«
Im ersten Moment gelang es Andrej nicht, den Worten irgendeinen
Sinn zuzuordnen. Es dauerte endlose Sekunden, bis er begriff, dass
der Mann ihn meinte, und offensichtlich glaubte, er wäre hier, um
Meruhe zu kaufen. Der bloße Gedanke weckte in ihm den Wunsch,
dem Kerl die Kehle durchzuschneiden, aber er beherrschte sich.
»Schaut sie Euch ruhig an, edler Herr«, fuhr der Sklavenhändler
fort. Mit großer Mühe löste Andrej seinen Blick von Meruhes Gesicht und betrachtete ihn einen Moment lang genauer. Er trug einen
schwarzen Mantel, einen einfarbigen Turban und darunter schlichte,
sehr robuste Kleidung, die an die Art erinnerte, auf die Ali Jhins
Männer gekleidet gewesen waren, aber mehr auch nicht. Darüber
hinaus bewiesen seine zwar kräftigen, aber gepflegten Hände, dass er
kein Krieger war und mit diesen Fingern eher Gold zählte, statt ein
Schwert zu führen.
»Sie ist ein bisschen alt, nicht wahr?«, fragte Abu Dun, als Andrej
auch auf die zweite Anrede des Händlers nicht reagierte, sondern
Meruhe nur weiter anstarrte, und das auf eine Art, die auffallen
musste.
»Alt?« Der Händler legte genau jenen Ton mühsam zurückgehaltener Empörung in seine Stimme, wie man sie von einem Mann erwartete, der hin- und hergerissen war zwischen dem Wunsch, auf eine
Beleidigung zu reagieren, und dem, einen Kunden nicht zu verjagen.
»Ich bitte Euch, mein Freund! Schaut Euch diese schwarze Rose
doch genauer an!« Er legte den Kopf schräg und tat so, als habe er
Abu Dun gerade erst wahrgenommen. »Verzeiht die Frage, aber seid
Ihr nicht aus demselben Volk wie sie?«
»Und wenn es so wäre?«, gab Abu Dun zurück.
»Dann müsstet Ihr besser als ich wissen, dass Frauen Eures Volkes
mit zunehmendem Alter an allen Qualitäten gewinnen«, antwortete
der Sklavenhändler. Etwas in Abu Duns Gesicht musste ihm wohl
verraten, dass diese Bemerkung nicht besonders geschickt gewesen
war, denn er lächelte plötzlich nervös und beeilte sich, in erklärendem Tonfall fortzufahren: »Sie ist eine ausgezeichnete Köchin, das
kann ich Euch versichern, Herr, und wenn Ihr mir die Bemerkung
gestattet - Ihr macht mir ganz den Eindruck, dass Ihr die Qualitäten
einer solchen zu schätzen wisst.«
Ein paar der Umstehenden begannen zu lachen, verstummten aber
sofort, als Abu Dun einen drohenden Blick in die Runde warf, und
der Sklavenhändler fuhr fort. »Sie versteht sich ausgezeichnet auf
jegliche Art von Hausarbeiten, und sie ist nebenbei auch eine gute
Heilerin.« Nicht sein Lächeln, sehr wohl aber sein Blick wurde ein
kleines bisschen anzüglich. »Ihr würdet nicht glauben, was sie alles
mit ihren Händen anzufangen weiß.«
Andrej hatte immer noch Mühe, seinen Worten zu folgen. Unverwandt starrte er Meruhe an, versuchte, ihren Blick einzufangen, doch
es gelang ihm nicht. Sie musste ihn doch sehen. Es war vollkommen
unmöglich, dass sie ihn nicht bemerkt hatte! Sie stand auf Armeslänge entfernt vor ihm, und wenn schon nicht ihn, so musste sie doch
zumindest Abu Duns Stimme wiedererkannt haben. Aber ihr Blick
war weiter auf die Menschenmenge hinter ihm gerichtet. Sie sah überallhin, nur nicht in seine Richtung.
»Und was ist mit ihrem Auge?«, fragte Abu Dun.
»Was soll damit sein?«, fragte der Händler beunruhigt.
»Etwas stimmt damit nicht«, beharrte Abu Dun. »Das sehe ich
selbst von hier aus.«
»Aber ich bitte Euch, mein Freund«, erwiderte der Händler kopfschüttelnd. Er hatte seine Selbstsicherheit zurückgewonnen. »Sind es
nicht gerade die kleinen Makel, die einen Menschen von einem Bild
unterscheiden? Wollt Ihr etwas Perfektes, dann sucht Euch einen
Bildhauer und lasst Euch eine Statue meißeln! Schöne Frauen mit
ebenmäßigen Gesichtern findet Ihr überall, aber habt Ihr jemals ein
Weib wie dieses gesehen, von solcher Lebendigkeit?« Er schüttelte
heftig den Kopf und kam
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