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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Abu Duns Antwort zuvor. »Sie ist kein
junges Mädchen mehr, das will ich gerne zugeben, und - wie ich befürchte - auch keine Jungfrau.« Wieder brandete Gelächter ringsum
auf, das der Händler aber diesmal selbst mit einer Handbewegung
zum Verstummen brachte. »Aber sie kann Euch nützlich sein. Sie
kann Euren Haushalt führen, sich um Eure Wunden kümmern und
Euch bekochen, und sie ist noch nicht zu alt, um Euch ein paar kräftige Söhne zu schenken.«
»Wie viel?«, fragte Andrej.
Der Mann oben auf dem Podest wirkte irritiert. Offensichtlich war
er davon ausgegangen, dass Abu Dun Interesse an Meruhe hatte und
nicht sein sonderbarer Begleiter. »Dreihundertfünfzig Dinar, Herr«,
sagte er, »und dabei zahle ich drauf.«
»Zweifellos«, sagte Abu Dun spöttisch. Meruhes Blick löste sich
jetzt endlich von dem imaginären Punkt im Nichts, den sie bisher
angestarrt hatte, und suchte Andrejs Gesicht. Er sah nicht die geringste Spur von Überraschung in ihren Augen, dafür aber etwas,
was er nicht erwartet hätte. Ein kurzes Aufflackern von Zorn, und
dann ein zwar nur angedeutetes, dennoch aber fast flehendes Kopfschütteln.
»Das ist die Wahrheit!«, beteuerte der Sklavenhändler. »Ich selbst
habe ein Mehrfaches dieser Summe für sie bezahlt, und wenn ich
daran denke, welche Freuden und Hochgenüsse sie mir bereitet, seit
sie in meinem Besitz ist, so dürfte ich sie eigentlich gar nicht verkaufen.«
»Warum tust du es dann?«, erkundigte sich Abu Dun, was ein neuerliches, kurzes Gelächter zur Folge hatte.
Tu es nicht, flehte Meruhes Blick. Andrej verstand das nicht. Er
verstand auch nicht, was sie hier tat, wie sie hierher kam. Seine Hand
schloss sich abermals um den Schwertgriff, und der Ausdruck in Meruhes einzelnem sehenden Auge wandelte sich fast in Entsetzen.
»Das ist zu viel«, sagte Abu Dun. »Ich müsste dumm sein, dreihundertfünfzig Dinar für eine Frau zu bezahlen, die meine Mutter sein
könnte.«
»Dann gebe ich sie Euch für dreihundert«, erklärte der Händler mit
weinerlicher Stimme. »Obwohl mich meine Frauen und meine Kinder dafür verfluchen werden, denn ich werde sie hungern lassen müssen, um den Verlust wettzumachen, der mir dieses Geschäft einbringt.«
Langsam, unendlich langsam, meldete sich Andrejs Vernunft wieder zurück. Alles in ihm schrie danach, auf das Podest zu springen,
sein Schwert zu ziehen und für Meruhe in der einzigen Währung zu
bezahlen, die diesem Menschenhändler zustand - mit blankem Stahl.
Aber Abu Dun hatte Recht. Die einzige Möglichkeit, sie zu befreien,
bestand darin, sie zu kaufen; so sehr ihn dieser Gedanke auch anwiderte.
Das Problem war nur, dass die Summe, die der Händler verlangte,
ihre gemeinsame Barschaft hoffnungslos überstieg.
»Nicht einmal die Hälfte«, sagte Abu Dun, woraufhin sich der Ausdruck auf dem Gesicht des Sklavenhändlers in blankes Entsetzen zu
verwandeln schien. Er japste nach Luft, doch bevor er noch etwas
sagen konnte, trat Meruhe plötzlich einen Schritt zurück, flüsterte
ihm etwas ins Ohr, und aus dem gespielten Entsetzen auf seinen Zügen wurde Überraschung, dann Misstrauen und Ärger.
»Nun, auch wenn das eine Summe ist, bei der wir uns gewiss nicht
handelseinig werden - würdet Ihr mir Euer Geld zeigen, mein
Freund?«, sagte er.
Abu Duns Augen wurden schmal. »Was soll das heißen? Zweifelt
Ihr daran, dass ich bezahlen kann?«
Sein drohender Ton und die plötzlich nicht mehr entspannte Haltung, in der er dastand, verfehlten ihre Wirkung nicht. Allerdings nur
für einen Moment. Dann kehrte die Mischung aus Herablassung und
Misstrauen wieder auf das Gesicht des Sklavenhändlers zurück.
»Keineswegs«, sagte er, nun ebenfalls hörbar kühler als zuvor. Seine linke Hand machte eine rasche, kaum sichtbare Geste hinter seinem Rücken, die Andrej aber nicht entging, und hinter den zerschlissenen Vorhängen, die die Rückwand seines Standes bildeten, bewegten sich Schatten. Andrej hörte Schritte, die sich nach rechts und
links entfernten.
»Es ist nur so, dass ich Euch und Euren Begleiter noch nie hier gesehen habe, werter Herr«, fuhr der Sklavenhändler fort. »Vielleicht
kennt Ihr die Sitten und Gebräuche hier auf dem Markt von Mardina
nicht. Es ist bei uns üblich, vorher nachzuweisen, dass man gewünschte Ware auch bezahlen kann.« Er lächelte falsch. »Es liegt
mir fern, Euch beleidigen zu wollen. Doch Ihr seid mir fremd, und
wie soll ich wissen, dass Ihr auch die seid, die zu sein Ihr vorgebt?«
Das

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