Die verfuehrerischen Vier
er hatte daheim keine Freundin. Er konnte sich gut vorstellen, mit einer zusammen zu sein, aber sie müsste in Orlando wohnen, weil er nichts von einer Fernbeziehung hielt. Was mich schon mal gleich von seiner Liste warf, weil ich ja nach New York ging.
Aber das war auch in Ordnung. Ich wollte gar nicht seine Freundin sein. Ich wollte ihn nur küssen. Ein Mal. Damit ich was hatte, was mich an diese Kreuzfahrt erinnerte. Ob das okay war?
Ich sah zu meinen Freundinnen hinüber, die tanzten und immer noch ab und zu herüberschauten, um mitzubekommen, was da vor sich ging. Bestimmt hielten sie mich für unartig, weil ich hier saß und mit einem verheirateten Mann plauderte. Ich wollte sie unbedingt an der Nase herumführen und ihnen etwas vormachen, über das sie sich das Maul zerreisen konnten.
»Was ist?«, fragte Raul, als ich ihm den Drink aus der Hand nahm und auf die Theke stellte.
Ich beugte mich zu ihm und bemerkte den leichten Moschusgeruch des Tees in seinem Atem.
Er senkte den Blick und starrte auf meinen Mund. »Bist du sicher?«, flüsterte er.
Wenn überhaupt, dann musste ich es jetzt machen. Es war eine tolle Party und alle anderen amüsierten sich. Sogar Alma tanzte. Vielleicht hatte sie ja recht. Vielleicht liebte mich Lorenzo wirklich nicht so wahnsinnig. Und wenn doch, dann konnten wir uns später damit auseinandersetzen. Aber in diesem Moment machte die Temptress ihrem Namen alle Ehre: Verführerin.
»Ja.« Ich kam so nahe, bis sich unsere Lippen fast berührten. »Ich bin sicher.«
Und dann wurde es gut. Wahnsinnig gut.
Heiß und intensiv. Das war die Reise wert.
Tag 5, 0.35 Uhr
St. Thomas, Amerikanische Jungferninseln
»Oh mein Gott, Oh mein Gott!« Yoli kam auf mich zugerannt und brach sich dabei in ihren Highheels fast die Knöchel. »Wo ist er hin?« Killian und Alma bremsten kurz hinter ihr ab.
»Toilette«, sagte ich und fuhr mit dem Finger am Rand meines Colaglases entlang. Draufgängerin. »Er kommt gleich wieder, verzieht auch also, alle drei.«
»Ach, auf einmal sollen wir uns verziehen?« Killian verschränkte die Arme. »›Aber bei der Kreuzfahrt geht’s doch um uns … wir sollten nicht an Jungs denken … das ist unsere letzte Gelegenheit … blah, blah, blah‹.« Sie machte mich ziemlich gut nach, nur dass ich nie »blah, blah, blah« sage.
»Fee, was soll das? Der Junge ist doch verheiratet!«, rief Yoli und hob die Handflächen gen Himmel. »Ist dir denn nichts heilig?«
Ich hätte mir einen solchen Spaß mit all dem machen können, aber ich musste doch hören, was sie von der Sache hielten. »Also, ihr werdet’s nicht glauben, aber … er ist nicht verheiratet. Er war nur bei der Arbeit.«
»Echt, guter Scherz«, sagte Alma und ließ sich auf einem Hocker nieder.
»Nein, ehrlich, er ist Smoking-Model, als Nebenjob.«
»Das hat er behauptet?« Killian lächelte hinterhältig.
»Im Ernst. Seht ihr seine Frau vielleicht hier?«
»Ich weiß ja nicht, wie sie aussieht.« Yoli fand sich ziemlich witzig.
»Ach, überhaupt, es ist doch egal. Es war ja nur ein Kuss. Und dabei bleibt’s auch.«
Killian gackerte. »Ätzend, Fiona.«
»Hört mal, ich muss mir erst über Lorenzo im Klaren werden.«
Alma verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Raul ist möglicherweise nicht mehr in der Nähe, wenn wir nach Hause kommen«, murmelte sie. Da hatte sie recht, aber ich konnte nicht einfach etwas Spontanes machen. Neun von zehn Mal war spontan gleich dumm.
Killian legte den Arm um meine Schulter und lehnte ihren Kopf an meinen. »Arme Fiona, wo sie jetzt auf zwei Hochzeiten tanzen könnte!«
Weil ich ja klug bin, überging ich ihre Bemerkung. Stattdessen zog ich Alma näher zu mir und lehnte den Kopf an ihre Schulter. »Ich hätte nie gedacht, dass ich so was tun könnte.«
»Ich weiß. Mach dir keine Gedanken«, gurrte sie.
Killian zuckte die Schultern. »Was, jemanden küssen? Ich bitte dich, das ist doch’ne Bagatelle. Yoli ist diejenige unter uns, die ausbricht.«
»Und warum soll das gleich ausbrechen sein, wenn ich mit Tyler zusammen bin?« Erwartungsvoll zog sie die Augenbrauen hoch.
Killian gackerte höhnisch. »Hör mal, Yoli, das ist nämlich so …« Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie kurz davor war, die ganze Wahrheit über Tyler auszuspucken, aber das wollte ich jetzt nicht mehr.
»Nein, Kil.« Ich warf ihr einen vielsagenden Blick zu. Es gab keinen zwingenden Grund, warum Yoli nicht die Wahrheit
über den Typ, mit dem sie zusammen war, erfahren
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