Die verfuehrerischen Vier
bitten, denn so ernst war die Lage ja noch nicht. Unsere Freundin war für eine Stunde verschwunden. Na und? Das passierte schon mal auf einem Kreuzfahrtdampfer. Oder nicht?
Einfach lächerlich. Nicht zu fassen, dass wir Yoli nicht finden konnten - wir hatten sie eine Sekunde aus den Augen gelassen und weg war sie. Wahrscheinlich bedeutete das gar nichts. Sie hatte wahrscheinlich ein paar Minuten mit dem Mädchen geredet, wie Killian sagte. Dann war sie zurückgekommen und wir waren weg. Nur, warum kam sie nicht durch dieselben Türen, durch die wir gegangen waren, um sie zu suchen? Oder war sie vielleicht auf einer der Toiletten?
»Wir haben nicht in den Toiletten nachgesehen«, sagte ich und drückte auf den Fahrstuhlknopf.
»Nein, stimmt«, sagte Killian. Ich hatte sie noch nie so ernst erlebt. Bildete sie sich das Gleiche ein wie ich? Spukte ihr auch die Vorhersage von Madame Fortuna im Kopf herum wie mir?
Wenn man die Umstände betrachtete - dass uns eine vollkommen Fremde vor ein paar Tagen gesagte hatte, wir würden auf eine Reise gehen, dass eine von uns nicht zurückkommen
würde, dann der Gewitterregen und die Streitereien und - genau, nicht zu vergessen: das Erdbeben - das alles machte es mir nicht leicht zu glauben, dass alles in Ordnung kommen würde.
Tag 5½, 03.28 Uhr
St. Thomas, Amerikanische Jungferninsel
Eine weitere Stunde lang durchsuchten wir alle Decks und Aufenthaltsräume, die uns in den Sinn kamen. Wir gingen sogar in Tylers Kabine. Da war ein Junge, der uns informierte, dass die Party umgezogen sei, er wisse aber nicht, wohin. Natürlich konnte er das nicht wissen: Er stank nach einem interessant gewürzten Kraut, das einem bestimmt das Gehirn vernebelte.
Wir hatten jetzt fast alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Nur der Mannschaft hatten wir noch nicht berichtet, dass Yoli fehlte. Aber das war der absolut letzte Ausweg, dazu waren wir noch nicht bereit. Nein, die Theorie, die zurzeit am vernünftigsten klang, war die, dass Yoli ein kleines privates Abenteuer hatte, bei dem sie uns nicht dabeihaben wollte. Und da wir den streng geheimen Ort von Tylers Party nicht kannten, mussten wir einfach warten, bis sie wieder auftauchte.
Aber dann würde ich ihr höchstpersönlich in den Hintern treten.
Der Regen hatte jetzt aufgehört, aber morgen, an unserem letzten Tag in St. Thomas, sollte es wieder regnen. Killian ließ sich auf einen Liegestuhl fallen und streckte sich, als wolle sie den wolkigen Nachthimmel direkt berühren. Mir fiel dazu ein, dass ich mich nie auf einen Liegestuhl werfen würde, nur
um mich zu strecken, vor allem nicht auf einen, der so nass war. Ich beobachtete ihren langen, schlanken Körper und überlegte, was wohl in ein paar Jahren aus ihr werden würde, ob sie immer noch so verrückt sein oder sich endlich eingekriegt haben würde und etwas Vernünftiges machte.
Da fiel mir die Korallenwelt ein. »Hey, Kil.«
Sie sah mich mit besorgtem Lächeln an. »Hmm?«
»Was ich dir erzählen wollte … in St. Thomas gibt es eine Uni, die UVI heißt …«
»Uvi?«, sprach sie die Buchstaben in einem Wort aus und lachte.
»Genau.« Ich lachte auch, aber nicht wirklich. »Also, die haben angeblich eine gute Abteilung für Meeresbiologie, und …« Das war doch heute gewesen, oder? Mein Gott, es fühlte sich an, als ob Tage vergangen waren, nachdem die Sache mit Yoli passiert war.
»Okay?« Killian wartete auf mehr.
»Da hab ich an dich gedacht, weil du doch noch nicht weißt, was du studieren willst. Du könntest dich dort ein Jahr oder so einschreiben. Und du könntest in Coral World jobben. Das hab ich mir heute angeschaut.« Ein Windstoß wirbelte Killians Haare hoch. Sie sah ungefähr so sehr wie eine Meeresbiologin aus, wie Angelina Jolie als Neurohphysiologin hätte aussehen können.
»Klingt cool«, sagte sie und gähnte.
Na gut, ich hatte schon auf eine begeistertere Reaktion gewartet. Aber andererseits war es drei Uhr morgens und ich redete vom Studieren. »Vielleicht haben sie auch einen Dramakurs. Wie auch immer, du würdest im Paradies leben.« Ich versuchte überzeugend zu klingen.
Killian sprang herunter und drehte eine kleine Pirouette. »Ich wohne doch schon im Paradies.«
Ich liebe Miami wirklich, aber ich meinte ja etwas, das nicht bei uns zu Hause war. »Du hast doch gesagt, dass du Spaß haben willst, ehe du mit dem Ernst des Lebens anfängst.«
»Wann soll ich das gesagt haben?«
»Gestern?«
»Aha.«
»Und das könnte eine einmalige
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