Die verfuehrerischen Vier
hin.«
Ich biss mir auf die Lippe und versuchte, gelassen zu wirken.
»Du warst gestern Abend so plötzlich weg. Ich hatte gehofft, dir noch Gute Nacht sagen zu können.« Er ging neben mir her, während ich auf die Seite mit den Süßspeisen zusteuerte.
Warum beim Frühstück Süßspeisen aufgetischt wurden, war mir schleierhaft. Aber die Farbpalette der Schokoladenspeisen, Erdbeeren und glasierten Kirschen machten mich ganz wuschig.
»Tut mir leid. Meine Freundin Yoli ist verschwunden. Deshalb haben wir überall wie verrückt nach ihr gesucht.«
»Welche ist das? Die Kleine?« Er hob die Hand in Yoli-Größe. »Die mit den Locken?«
Ich sah ihn direkt an. »Stimmt, warum? Hast du sie gesehen?«
»Nein.«
Pech. Ich nahm mir ein paar Minimarshmallows und legte sie auf meinen Teller.
»Du hast dir da ja einen schönen Berg aufgeladen.« Raul lächelte mit einem Blick auf meinen Teller.
Ich musste auch etwas lachen. Ich hatte keine Ahnung, warum ich so viel genommen hatte, wo ich doch gar nicht vorhatte, es zu essen.
»Hey«, sagte er und berührte meinen Arm, damit ich ihn ansah, was ich auch tat. Seine hellbraunen Augen unter den sexy Augenbrauen waren gerade echt zu viel für mich. »Mach dir keine Sorgen. Die taucht schon wieder auf.«
Ich nickte.
Ich hätte den gestrigen Abend - als wir uns küssten, miteinander redeten und unseren Spaß hatten - zu gerne zurückgeholt, aber heute war alles anders. Heute gingen mir andere Dinge durch den Kopf. Yoli zum Beispiel. Und mein Leben. Und was Alma davon hielt. Und wie ich meinen Freund so hintergangen hatte, ganz bedenkenlos, wie eine abgebrühte Ehebrecherin. Und dann auch meine Unterhaltung mit Killian gestern Abend. Ich fand es unerträglich, dass da die Chance für etwas ganz Neues und Aufregendes auf sie wartete, das
sie einfach ignorierte. Ganz unerträglich fand ich das. Sie vergeudete ihr Leben.
Und um alles zu krönen, war da noch diese Prophezeiung, die ja vielleicht ganz aus der Luft gegriffen war, aber trotzdem jede unserer Bewegungen verfolgte, so dass wir überhaupt keinen Spaß haben konnten, ohne daran zu denken.
Es war doch so: Wenn ich alles, was gerade passierte, nehmen und eines von diesen Tortendiagrammen machen müsste, wie wir es in Mathe gelernt hatten, würde ich sagen, dass das Zusammensein mit Raul nicht mehr als ein ganz schmaler Sektor sein würde. Na gut, ein kleines Tortenstück. Aber nur, weil er so heiß war. Wenn unsere Reise so eine romantische Kreuzfahrt gewesen wäre, auf die man solo aufbricht, um eine Liebschaft anzufangen oder auch nur eine kurze Affäre, dann hätte ich gesagt, scheiß drauf, und hätte mich auf ihn eingelassen, aber das konnte ich nicht. Ich musste meine Freundinnen wieder zusammenbringen. Ich musste mir über mein lahmes Leben klar werden und darüber, wie es mit meiner Beziehung zu Lorenzo stand. Denn darum ging es jetzt. Es waren unsere letzten Tage.
»Danke«, sagte ich zu Raul.
Er sah mich erstaunt an. »Wofür?«
Ich wollte ihm sagen, dass einige der Dinge, die er an dem einen Abend gesagt hatte, bei mir angekommen waren. Dass ich vielleicht einige Dinge aufschieben und mich mal eine Weile amüsieren musste. Dass er und Alma da vielleicht auf einer Linie lagen. Ich wollte ihm sagen, dass seine Anwesenheit auf dieser Kreuzfahrt nicht ohne Konsequenzen bleiben würde. Aber irgendwie hatte ich nicht den Eindruck, dass er das hören wollte.
»Für gestern Abend. Das war richtig schön. Aber …«
Raul schob die Hände in seine Taschen. »Hör mal. Du musst gar nichts sagen.« Er lächelte wehmütig. »Ich verstehe vollkommen.«
»Wirklich?« Ich wollte ihn drücken, die Arme um ihn legen und ihn einfach nur spüren, aber mit meinem vollen Teller hätte das schwierig werden können.
»Na klar. Wenn wir uns sehen, jetzt, an den beiden letzten Tagen, lassen wir es einfach auf uns zu kommen. Ich weiß, dass du gerade an einer Menge zu knabbern hast.«
Beide blickten wir auf meinen vollen Teller und brachen in Gelächter aus. Meine Gesichtsmuskeln waren gleichzeitig geschockt und erleichtert über die Wendung.
»Du weißt schon, was ich meine«, sagte er und kicherte.
»Ja, ich weiß.« Ich lächelte so strahlend und sexy wie möglich. Ich mochte ihn echt, und ich wollte, dass er es merkte. Vielleicht ein anderes Mal. Ich könnte ihn mal in den Ferien in Gainsville oder Orlando besuchen. »Würdest du …«
»Was?«
So etwas hatte ich nun wirklich noch nie gemacht. »Würdest du mir
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