Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)

Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)

Titel: Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Gee
Vom Netzwerk:
zu begutachten, die er für sein Geschäft kaufen wollte. Als sie nach Hause zurückgingen, kamen sie an eine Straße, die von einer Menschenmasse blockiert wurde: Männer und Frauen, die einander stießen und drängten. Einen Augenblick lang waren Alexander und sein Vater noch außerhalb der Menge, im nächsten jedoch schon mittendrin, vorwärtsgeschwemmt in der rauen Flut ihrer Bewegung, einer Kraft, zu stark für die eher schmächtige Statur seines Vaters, als dass er ihr hätte widerstehen können.
    Der Vater hob seinen kleinen Sohn rasch auf die Schultern, und von dort aus sah Alexander ganz vorn vor der Menge eine seltsam kostümierte Gruppe. Zuerst dachte er, das sei eine Schar Bettelmönche und Klosterbrüder, wie er sie von Bildern aus Büchern seiner eigenen Religion kannte, doch dann erkannte er, dass sie Bierkrüge schwenkten und sich in unanständiger Umarmung umschlangen und dabei lachten und grauenhaft grölten. Alexanders Vater versuchte verzweifelt, sich aus der Meute freizukämpfen, aber er strauchelte und ergab sich dem Sog der Menge, die sie auf einen Anger zutrieb, auf dem Menschen sangen und um einen Scheiterhaufen mit hell auflodernden Flammen herumtanzten. Eine Musikantenschar spielte Gigues, und die Tänzer schlingerten in wilder, trunkener Leidenschaft umher.
    Und dann sah Alexander etwas höchst Erstaunliches. Direkt vor ihm war der Papst.
    Der Mann saß auf einem Stuhl und trug eine purpurne Soutane und eine dreifache Krone,genau wie auf den Bildern. Neben ihm stand eine Gestalt, die Alexander nicht erkannte, aber er fand, es müsse ein König sein, und er fragte sich, ob es wohl der König von England oder der von Frankreich sei. Ein dritter Mann kletterte auf das Podest, ganz in Schwarz gekleidet, mit zwei Hörnern und einem langen schwarzen Schwanz, der ihm hinten vom Gürtel baumelte. Alexander stockte der Atem. Das war der Teufel! Die Menge johlte vor Aufregung.
    Alexander saß starr da, gefesselt von den wild lodernden Flammen des Feuers und den schadenfrohen Gesichtern der Menschen. Da bahnten sich plötzlich zwei Männer ihren Weg zum Podest. Sie trugen Säcke, die wie lebendig herumzappelten, während sie gingen. Die Menge grölte und schrie begeistert. »Pussi, Pussi!«, riefen sie, und Alexander begriff, dass die Säcke voller lebendiger Katzen waren. Die Männer rissen dem Papst und dem König die Brust auf und schoben die Tiere hinein … Die Figuren waren aus Tuch und Papier gemacht! Alexander wandte sich voll Grausen ab. Sollten die Katzen verbrannt werden? Kaltblütig ermordet? Er konnte nicht anders, er blickte sich wieder um und sah, wie der Teufel die sich windenden Figuren in die Flammen stieß.
    »Kein Pfaffentum in England!«, schrie der Teufel, und die Menge brach erneut in Beifallsrufe aus. Das leichte Papier und die Kleidung von Papst und König fingen Feuer, und Alexander hörte Töne wie grelle Schmerzensschreie, die direkt aus den Mündern der beiden Kleiderpuppen zu kommen schienen, als die Katzen die sengende Hitze der Flammen um sich herum verspürten.
    »Keine Katholiken!«, kreischte die Menge unentwegt. »Her mit dem Zehn-Meilen-Gesetz!« Alexanders Vater taumelte zurück, zog seinen Sohn von den Schultern und presste ihn an sich. Sein Gesicht war aschfahl.
    »Mein Gott«, stöhnte er, als er sich schließlich aus der Meute herausgekämpft hatte. »Wir sind hier nicht sicher! Ich glaube, wir werden nie wieder in Sicherheit sein.«
    Danach hatte sein Vater nicht mehr über das gesprochen, was sie gesehen hatten. Aber ein paar Wochen später war Alexander nachts aufgewacht von lauten Geräuschen und der lauten Stimme seines Vaters, rasend vor Zorn. Dann war seine Mutter gekommen, um ihn zu beruhigen. Sie erzählte ihm, dass Diebe versucht hätten, in den Laden einzubrechen, und dass sein Vater sie verjagt hätte.
    Aber am Morgen danach hatte Alexanders Vater stumm auf die zerbrochenen Fensterscheiben und den ekligen Dreck gestarrt, der über den Fußboden des Geschäftes verteilt lag. Und ein paar Worte waren an die Wand geschrieben: »Kein Pfaffentum«, hatte Alexander laut entziffert. Danach hatten seine Eltern das Haus verlassen, in dem Alexander seine Kindheit verbracht hatte, und sein Vater war nie wieder in die Stadt zurückgekehrt.
    Es war schwer, sich auszumalen, wie sein weiteres Leben ausgesehen hätte, wären seine Eltern nicht aufs Land gezogen. Aber hätten sie nicht in Binfield gelebt, dann hätte er nie Sir Anthony kennengelernt – und er

Weitere Kostenlose Bücher