Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
sehr gefallen hatte. In Gedanken sah er sich selbst, reich und selbstbewusst, wie er das Gleiche vor Teresa tat, obgleich sie ihn wahrscheinlich deswegen auslachen würde.
Caryll unterbrach seine Gedanken. »Ich glaube, wir brauchen höchstens noch eine Stunde.
»Wo werden Sie wohnen, Sir?«, fragte Alexander, sich aufraffend.
»Im Hause Lord Petres an der Arlington Street«, kam die Antwort.
Lord Petre, wiederholte Alexander im Stillen. Baron Petre von Ingatestone, Erbe einer der ersten katholischen Familien Englands. »Ich glaube, Sie waren einmal Lord Petres Vormund, Sir?«, fragte Alexander.
»Bis er vor zwei Jahren volljährig wurde«, antwortete Caryll.
Alexander war Lord Petre einmal in John Carylls Haus auf Ladyholt begegnet. Damals war er kaum älter als achtzehn oder neunzehn gewesen. Das ließ sich nicht so leicht vergessen: Petre war auf dem Weg nach London gewesen, und Alexander wusste noch, wie er von seinem Pferd gesprungen war und dem Stallburschen lässig die Zügel zugeworfen hatte. Dann war er mit langen, selbstsicheren Schritten auf Caryll zugegangen, um ihn und seine Frau zu begrüßen. Sehr groß war er gewesen. Alexander hatte schüchtern daneben gestanden, als Petre ihn schließlich bemerkte. Wie lebhaft erinnerte er sich noch an seinen Gesichtsausdruck: Jäh erschrocken hatte er ihn angestarrt, sich dann aber bemüht, sein Befremden hinter lebhaftem Geplauder zu verbergen. Alexander hatte sich möglichst so hingestellt, dass sein krummer Rücken nicht zu sehen war. Aber natürlich war es unmöglich, ihn zu verbergen. Auf dem Lande war man an seine Gestalt gewöhnt gewesen, aber in der Stadt würden sich Szenen wie diese wiederholen. Andere würden ihn anblicken, wie Petre es damals getan hatte.
»Ist Seine Lordschaft derzeit in der Stadt?«, fragte Alexander.
»Er bleibt noch um der Jagd willen auf dem Land«, sagte Caryll.
Alexander war froh, dass er dem Baron nicht erneut begegnen musste. Er fragte sich, ob er wohl geheiratet hatte – so hochbegehrt, wie er allenthalben war. Er versuchte, sich die Sorte Frau vorzustellen, in die Petre sich verlieben könnte – ein Mann, der fast jede haben konnte. Sie musste wahrhaftig bemerkenswert sein.
Er wollte eben Caryll fragen, ob Lord Petre eine Frau habe, da tat die Kutsche einen heftigen Satz und landete auf den Londoner Straßen. Die Achsen knackten, als wollten sie entzweibrechen, dann schwankten und schlitterten sie über das Kopfsteinpflaster. Die Straßen waren voller Mietdroschken, die plötzlich stoppten und wieder anfuhren, auf ihrer lockeren Federung von Seite zu Seite schwankten, während die Fahrgäste drinnen sich unter Verrenkungen abquälten, würdig auszusehen. Schlammspritzer landeten auf den Seiten der Kutsche und an den Fenstern. Alexander wurde es ein wenig übel.
Es war sehr freundlich von John Caryll, seine Kutsche in Gefahr zu bringen, um ihn in die Stadt zu fahren, aber plötzlich wünschte sich Alexander, nicht dauernd in der Schuld des einen oder anderen Freundes zu stehen. Er hasste es, zu den Menschen zu gehören, die Gefälligkeiten nötig hatten – jemand, der nur weiterkam, weil er ein Objekt der Nächstenliebe war. Zu viel Mitleid hinderte einen Mann daran, sich Feinde zu machen, und niemand war je berühmt geworden, ohne zugleich abgrundtief beneidet und gehasst zu werden.
Als sie endlich draußen vor Jervas’ Stadthaus hielten, eilte Jervas’ Butler Hill herbei, um Alexander beim Heruntersteigen zu helfen, und der freute sich über die Aussicht auf ein kräftiges Feuer und eine exzellente Mahlzeit, die drinnen auf ihn warteten. Er argwöhnte allerdings, dass seines Gastgebers Entzücken darüber, Gäste zu haben, zum Teil darauf gründete, dass es ihm einen Vorwand dafür lieferte, immerfort ein wenig zu essen und zu trinken.
»Guten Tag, Hill«, sagte Alexander und schob dem Diener, als er seinen Arm nahm, eine Silbermünze in die Hand. Caryll fuhr sofort weiter, und Alexander ließ sich von Hill in die Diele geleiten.
»Willkommen in der Stadt, Sir«, sagte Hill. »Ganz schön frostig heute.«
Welche Kultiviertheit in Charles Jervas’ Haus herrschte, dachte Alexander, als er eintrat. Elegant möbliert, mit betont maskulinem Geschmack. Exzellente Gemälde in der Diele und in den Empfangsräumen, ein guter Koch, angenehme Dienstboten und im Dachgeschoss ein helles Atelier, wo Jervas malte. Alles war genau so, wie der Wohnsitz eines Gentlemans sein sollte. Als Charles die Treppe herunterkam, um
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