Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
diesen himmlischen Kreaturen, die du hier um dich versammelt hast«, sagte Alexander, verdrängte seine Gedanken an Douglass und trat an eine der vollendeten Leinwände heran. Darauf war eine junge Frau zu sehen, vielleicht neunzehn oder zwanzig, und sehr hübsch. Aber es war nicht die Schönheit des Mädchens, die das Bild so bemerkenswert machte. Es war die Frische und Vitalität, die sie an sich hatte, wie sie da mit leuchtenden Augen und neckisch gehobenen Mundwinkeln in die Welt blickte.
»Das ist Lady Mary Pierrepont«, erklärte Jervas, »Tochter des Earl of Kingston.« Eine Protestantin und eine Adelige, konstatierte Alexander bei sich.
»Sie wird einmal ein Vermögen erben«, fuhr Jervas fort, »aber die Leute sagen, sie treibt es ziemlich bunt. Sie ist viel zu gewitzt für ihren Vater, das steht mal fest. Er kriegt sie nicht dazu, die Männer kennenzulernen, mit denen er sie verheiratet sehen möchte.« Er zuckte die Achseln und setzte hinzu: »Deshalb hat er das Porträt bestellt – um es ihren einschlägigen Verehrern zu zeigen.«
Alexander lächelte. Er trat an ein Bild auf einer Staffelei, das vollendet wirkte bis auf eine mit einem Überwurf drapierte Säule, gegen die sich – ein bisschen unglaubwürdig – eine junge Frau lehnte. Sie war ungewöhnlich schön; so schön, dass es unmöglich war, nicht dazustehen und sie anzustarren.
»Ja, das ist eins der hinreißendsten Mädchen, die ich je gemalt habe«, erklärte Jervas und starrte ebenfalls auf das Bild. »Die populäre Presse hat sie als eine von ›Londons regierenden Schönheiten‹ der letzten zwei Jahre bezeichnet. Ihr Name ist Arabella Fermor.«
»Oh!«, sagte Alexander, trat zurück und blickte ihn an. »Das also ist die gefeierte Miss Fermor. Sie ist eine Cousine der Schwestern Blount, die auf Mapledurham leben. Sie haben Miss Fermor oft erwähnt, aber ich bin nachträglich erstaunt, zu sehen, dass ihre Schönheit nicht sonderlich warm beschrieben wurde.«
»Das wird sie selten«, meinte Jervas, »wenn die Beschreibung von einer Dame stammt.«
3. Kapitel
»Ein Jüngling, strahlender als eine Traumgestalt.«
Arabella Fermor betrachtete sich im Spiegel und überlegte, auf welcher Wange sie heute das Schönheitspflästerchen anbringen sollte. Sie trat zurück, damit Betty, ihre Zofe, das Kleid über dem Korsett glatt ziehen konnte. Arabellas Schoßhündchen Shock richtete sich in seinem Körbchen auf, schüttelte sich stürmisch und trottete dann zur anderen Seite des Bettes hinüber. Als Betty die letzten Handgriffe an ihrem Kleid erledigt hatte, nahm Arabella den Hund in den Arm und trug ihn die Treppe hinunter – das Zimmer in wüster Unordnung hinter sich lassend. Ein Diener reichte Arabella in der Diele ihr Kapuzencape, und wortlos übergab sie ihm im Austausch Shock. Sofort reichte dieser das Tier an einen anderen Bediensteten weiter und eilte, um Miss Fermor in die Kutsche zu helfen.
Arabella, unter ihren Freunden als Bell bekannt, war mit einem fast makellosen Gesicht und einer ebensolchen Figur gesegnet – und dies war ihr auch schon von frühestem Alter an immer wieder versichert worden. Trotzdem hatte Arabella nicht zugelassen, dass ihre Schönheit ihren Charakter ruinierte. Sie wusste längst, dass sie sehr hübsch war, aber dieses Wissen hatte weder ihr Wahrnehmungsvermögen noch ihre Intelligenz beeinträchtigt, mit dem Ergebnis, dass sie im Alter von zweiundzwanzig über Schönheit und Klugheit zu fast gleichen Teilen verfügte.
Sie war wohlerzogen, hatte als Kind von einer Gouvernante profitiert, und später von ein paar kostspieligen Jahren in einer Klosterschule in Paris. Und doch war es nicht formale Bildung, die Arabella bemerkenswert machte. Sie zeichnete sich eher durch ihr Beobachtungsgabe und ihr Urteilsvermögen aus, und diese basierten bei ihr nicht auf Büchern und Erlerntem, sondern auf dem Leben selbst. Und auch da hatte Arabella wieder Glück gehabt. Ihre Eltern residierten in einem Stadthaus im exklusiven Londoner Bezirk St. James und verschafften ihrer Tochter dadurch so viel Zugang zum Leben (zumindest soweit es sich in dieser kleinen Ecke der Welt abspielte), wie sie sich nur wünschen konnte. Arabella verfügte über gute Manieren, exzellenten Konversationsstil und hoch entwickeltes gesellschaftliches Urteilsvermögen. Sie war also bestens gerüstet, ihre Talente für den Zweck einzusetzen, für den sie ihr anerzogen waren: die Akquisition eines reichen Ehemannes.
Arabella war in London,
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