Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
als sie den Brief ihrer Cousine Teresa erhielt, indem sie ankündigte, dass sie und Martha in die Stadt kämen. Teresa und Arabella waren zur gleichen Zeit in Paris gewesen, und Teresa hatte die Weltläufigkeit und die überlegene Art ihrer Cousine stets zutiefst bewundert. Wieder daheim in England, hatten sie sich aufgrund familiärer und religiöser Bindungen zwar regelmäßig getroffen, waren aber niemals enge Freundinnen gewesen. Teresa verbrachte fast ihre ganze Zeit mit ihrer Schwester Martha. Arabella war etliche Jahre älter als ihre eigenen Schwestern und sah sehr wenig von ihnen. Ebenso wenig verbrachte sie viel Zeit gemeinsam mit ihren Eltern, die mit ihren eigenen gesellschaftlichen Verpflichtungen voll beschäftigt waren. Sie genoss es, selbst verantwortlich zu sein, ihr Leben in London weitgehend unabhängig von Familie und Kindheitsfreundinnen zu gestalten. Lange war es ihre Absicht gewesen, eine glänzende Partie zu machen und von den eng verknüpften katholischen Kreisen glühend beneidet zu werden, die sie immer als so geistig lähmend empfunden hatte. Doch in zwei Saisons in der Stadt war sie noch keinem Mann begegnet, der die Art Leidenschaft in ihr entfacht hätte, nach der sie lechzte, und allmählich hatte sie sich immer mehr von den romantischen Vertrautheiten ferngehalten, die die meisten Mädchen, wie sie wusste, mit größtem Entzücken eingehen würden. Sie hatte reiche Männer kennengelernt, sie hatte gut aussehende Männer kennengelernt, aber sie hatte sich nicht verliebt.
Als Teresas Brief kam, hielt Arabella zunächst wenig davon, aber wie die Tage so verstrichen, merkte sie, dass sie sich immer mehr auf die Ankunft ihrer Cousinen freute. Denn trotz ihrer mannigfaltigen Zerstreuungen, trotz ihrer beneidenswerten Unabhängigkeit langweilte sie sich inzwischen. Arabella erwartete nicht, dass Teresa selbst ihr die Abwechslung und neuerliche Unterhaltung bieten würde, nach der sie suchte, aber ihr kam der Gedanke, dass sie, indem sie ihrer Cousine die Stadt zeigte, vielleicht neue Szenarien entdecken und ihren weltmüden Blick erfrischen konnte.
So kam es, dass Arabella an einem Freitagmorgen, nachdem die Schwestern Blount schon ein paar Tage in der Stadt waren, sich frühzeitig ankleidete und in ihre Kutsche stieg, um Teresa zu einem Ausflug zu den Läden in der Londoner Börse abzuholen.
Die Kutsche fuhr an dem Stadthaus vor, in dem die Blounts wohnten, und kaum zwei Minuten später kam Teresa aus der Tür.
Arabella küsste sie zur Begrüßung auf beide Wangen.
»Hallo Bell«, lachte Teresa. »Wie freue ich mich, dich zu sehen!« Sie blickte ihre Cousine bewundernd an: Arabella war noch genauso hübsch wie schon immer, stellte sie leicht verärgert fest.
Arabella bemerkte das Fünkchen Neid in Teresas Blick sehr wohl und wünschte, sie empfände weniger Genugtuung dabei. »Wo ist denn Martha?«, fragte sie.
»Unterwegs mit unserer Tante und unserer Mutter«, erzählte Teresa. »Die besuchen Mrs. Chesterton – genau eine von diesen öden Sachen, die Martha so gerne macht. Dein Kleid ist sehr hübsch, Bell«, sagte sie. »Ist es das, das du schon letztes Jahr in Mapledurham getragen hast, als wir uns dort getroffen haben?«
Arabella hatte schon früher bemerkt, dass ihre Cousine zu Konkurrenzneid neigte, wenn sie nicht bei Laune war.
»Ach, das Kleid hab ich schon eine ganze Weile nicht mehr«, antwortete sie. »Dieses hier ist ein anderes, im neueren Stil, ohne Falbeln.« Dabei breitete sie den Spitzenbesatz ihres Ärmels aus. Erwidern wir doch einfach ihr Kompliment, dachte sie: »Dein Haar sieht gut aus, Teresa. Da hat dir sicher die Zofe deiner Tante geholfen, es aufzustecken?«
»Ganz und gar nicht«, widersprach Teresa. »Martha und ich haben unser eigenes Mädchen in die Stadt mitgebracht.«
»Ah!« Arabella hob zustimmend das Kinn. Das erklärte allerdings, warum das Haar ihrer Cousine auf so altmodische Weise frisiert war. Sie überlegte, ob sie sie darauf hinweisen sollte, sehr behutsam natürlich.
Aber die Kutsche bog gerade von der Cheapside in die Cornhill ein, und beide Mädchen wurden durch den Anblick der Börse abgelenkt. Teresa vergaß ihren Neid und ihre Missstimmung und gab einen Laut des Erstaunens von sich. »Was für ein großartiges Gebäude!«, rief sie. »Das hatte ich ganz vergessen.«
Ihre Kutsche wirkte winzig neben der unermesslichen steinernen Fassade, deren hohe Arkaden und Säulen neben dem großartigen Hauptportal gen Himmel strebten. Die
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