Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
betrat, wurde ihm klar, dass es womöglich auch als Zeichen seiner Arroganz oder Gleichgültigkeit gegenüber Tonsons guter Meinung wirken könnte.
Ein junger Mann mit Brille blickte von den Zahlen und Papieren auf seinem Schreibtisch auf, die er sehr eingehend studiert hatte, und begrüßte ihn. Der sorgt dafür, dass der alte Tonson seinen Autoren nicht zu viel bezahlt für ihr Copyright, dachte Alexander bei sich. Der junge Mann lächelte freundlich, und Alexander seinerseits verbeugte sich. Warum begrüßte ihn dieser Junge mit so huldvoller Herablassung? Sehr wahrscheinlich wusste er um einige unerfreuliche Nachrichten, die Tonson für ihn bereithielt. Er bemerkte, dass die Miscellany , die seine Gedichte enthielten, gut sichtbar auf dem Tisch ausgelegt waren; sicherlich dort hingelegt, kurz bevor er eintrat, nahm er an.
Tonsons junger Mann sah, dass er hinblickte und sagte: »Wir haben eine Menge Exemplare verkauft, Mr. Pope, weil der Tatler den Band so gelobt hat. Mr. Tonson hat ihn jedem Kunden gezeigt.«
Alexander nickte, sagte aber nichts, denn ihm war, als höre er leisen Spott im Ton des Burschen. Sein eifersüchtiger Blick fiel plötzlich auf eine elegante Neuauflage von Paradise Lost , aufgetürmt auf dem Tisch zu weit größeren Stapeln, dazu eine An- 86 zeige mit der stolzen Meldung, dass dies Tonsons neunte Auflage des Gedichtes in zwanzig Jahren sei. Neun Auflagen. Nicht einmal Dryden hatte so viele. Und verschwenderisch mit Stichen bebildert war sie auch.
Schließlich kam Tonson selbst mit einem Buch in der Hand, das Alexander noch nie gesehen hatte.
»Wie geht’s Ihnen, Sir?«, rief er aus, setzte sich und platzierte das Buch so, dass es außerhalb Alexanders Sichtweite lag. »Nehmen Sie eine Erfrischung? Bei uns gibt’s gerade Tee, wissen Sie.«
Alexander sagte, er nähme lediglich ein Glas Wein und reckte sich, um den Band zu sehen, den Tonson versteckt hielt.
»Ich habe die neuen Zeilen gelesen, die Sie mir geschickt haben«, begann Tonson, »aber ehe wir darüber diskutieren, muss ich Ihnen überschwängliche Komplimente übermitteln – von einem Gentleman, der Sie ›Kleine Nachtigall‹ nennt.«
Pope versuchte zu lächeln, innerlich verfluchte er Tonson. »Ah ja!«, sagte er, »mein Freund Mr. Wycherley. Ich hoffe, es geht ihm gut, Sir. Er gab mir spaßeshalber den Namen ›Nachtigall‹, weil ich singe, wissen Sie – wie die klassischen Dichter. Und weil ich so klein bin«, setzte er nach einer kurzen Pause hinzu.
»Wycherley«, erwiderte Tonson gedehnt. »Es ist ein Jammer, dass er seit seiner Krankheit sein Gedächtnis verloren hat, denn er war der größte Bühnendichter seiner Zeit.«
»Ich bin Mr. Wycherley immer überall durch die Stadt gefolgt, mit einer Beharrlichkeit, wie mein Hund es auf dem Lande mit mir tut«, erzählte Alexander.
Tonson blickte verstohlen auf das kleine Buch und nahm einen Schluck Wein.
»Sie mögen Hunde, Mr. Pope?«
»Oh ja«, sagte Alexander, seiner selbst wieder sicher. »Mein Lieblingshund ist klein, mager und nicht gerade wohlgestaltet. So ist es denn wohl Ähnlichkeit, die Zuneigung auslöst. Er legt sich hin, wenn ich mich setze, er geht, wo ich gehe – und das ist mehr, als sehr viele gute Freunde von sich behaupten können.« Jacob Tonson hörte Alexander mit ruhig interessiertem Ausdruck zu,weder lächelnd, noch missbilligend, wohl aber den jungen Poeten gründlich abschätzend.
»Wenden wir uns jetzt Ihren Versen zu, Mr. Pope«, unterbrach er. »Sie haben diesem neuen Gedicht den Titel Windsor Forest gegeben, und es scheint, Sie haben es geschrieben, während Sie auf dem Lande waren.«
»In Binfield, ja.«
»Richtig. Nun, ich denke, es hat zu viel Ländliches in sich. Alles und jedes in Ihrem Gedicht zittert und bebt vor der Bedrohung des Todes: die Fasane, die Hasen, die Tauben, die Forellen, das Wild … nichts als rustikales Gemetzel von Anfang bis Ende.«
»Das oberste Gebot des Lebens in der Natur ist nun mal, zu töten, so oft und so gewaltig wie möglich«, versetzte Alexander ironisch lächelnd.
»Das ist zu brutal für meine Leser, Mr.Pope«, antwortete Tonson. »Wenn man in einer großen Stadt eingepfercht ist, dann möchte man sich ländliche Erquickungen vorstellen: das gefiederte, das schuppige, das wollige Getier – und dergleichen mehr. Man möchte nicht erzählt bekommen, dass sie in ihrer Kindheit niedergemäht werden durch Männer mit Gewehren und Fischruten. In zweihundert Zeilen haben Sie halb Berkshire
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