Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
»Wir alle möchten bekannt sein, selbst wenn wir verkleidet sind. Lassen wir nicht alle, sogar im gewöhnlichen Leben, unser wahres Selbst nur selten erkennen?«
Während er sprach, hob er eine Hand an den Hals, und Alexander wusste, er hatte sich nicht geirrt.
Unwillkürlich blickte er Lord Petre an, doch der lachte gerade herzlich, als Steele antwortete: »Da denken wir zwei völlig gleich, Sir. Wen kümmert’s schon, wie der Charakter eines Menschen tatsächlich ist? Die Art, wie er sich der Welt gegenüber darstellt, ist doch das Einzige, was uns interessiert!« Alexander wandte sich abrupt ab. Niemand außer ihm schien den leisesten Zweifel zu verspüren an diesem dubiosen Charakter Douglass!
Nach dem Wortgeplänkel mit Steele ging Lord Petre wieder an seinen Tisch, und Douglass folgte ihm. Robert Harley erhob sich und grüßte ihn.
»Wie geht es Ihnen, Harley?«, fragte Lord Petre. »Gratulation übrigens für die Durchsetzung des Importgesetzes. Ein großer Sieg für unsere Partei.«
Kaum saßen sie wieder, da platzte Douglass heraus: »Das war der Staatsminister, Robert Harley! Kennen Sie ihn gut, Mylord?«
Lord Petre sah ihn an. Hatte Douglass wirklich an seiner Stellung in der Gesellschaft gezweifelt?
»Ich kenne Harley ein wenig«, antwortete er. »Ich begegne ihm bei Hofe, in Westminster – und hier natürlich. Aber Sie können doch nicht so tun, als seien Sie überrascht von meinen Verbindungen, oder mir gar schmeicheln, dass Sie sie bewundern. Sie möchten doch davon Gebrauch machen, und das sollten Sie auch.«
Douglass nickte, aber Lord Petre hatte nicht das Gefühl, dass die Sache damit erledigt war. »Wenn ein Mensch reich und mächtig ist, dann gewöhnt er sich daran, für andere in seiner Umgebung unentbehrlich wichtig zu sein«, setzte er in gedämpftem Ton hinzu. »Würde man mich nicht wegen meiner Position in der Gesellschaft hoch schätzen, dann würde man mich genau so abschätzig behandeln wie eine schöne Frau, die man wegen ihres untadeligen Charakters belobigt.
Sehen Sie sich nur Dr.Swift an, zum Beispiel. Wie gewaltig hat er sich abgerackert, ein hochgeehrter Geistlicher zu werden, aber in fünfzig Jahren … Wer wird sich dann noch der Würde seiner Predigten oder seiner theologischen Weisheiten erinnern? Nur als Freund von Robert Harley wird er in Erinnerung bleiben, als der Mann, der mit Queen Annes Staatssekretär im Pontack’s roten Bordeaux getrunken, und Hammelbraten gegessen hat.« Aber Douglass zuckte nur die Schultern.
Lord Petre gab dem Kellner ein Zeichen, und alsbald wurden Austern serviert und Wein eingeschenkt. Douglass erhob das Glas und sagte: »Auf die ruhmreiche Sache, Mylord.«
Seine Stimme elektrisierte Lord Petre aufs Neue. »Die ruhmreichste der Welt«, erwiderte er, und sie tranken.
Douglass schlürfte ein paar Austern in sich hinein. »Ein exzellentes Dinner! Lassen Sie uns zur Gans eine Flasche Ho Bryan trinken. Das ist ein neuer Wein aus Frankreich. Kommen Sie, diesmal werde ich derjenige sein, der sie bestellt.«
Aber noch ehe er das tun konnte, gesellten sich genau diejenigen zu ihnen, über die sie eben geredet hatten. Lord Petre schnellte auf die Füße. »Soeben haben wir die Meisterschaft Ihrer Satiren gepriesen, Dr. Swift«, schwelgte er. »Möge Ihr überragender Esprit die Whigs noch viele Jahre von der Macht fernhalten!«
»Ich danke Ihnen, Mylord«, erwiderte Swift mit einer Verbeugung. »Auch wenn die Ausgrenzung der Whigs gewiss wünschenswert ist, so muss ich doch gestehen, dass für meine Bemühungen als Satiriker weit weniger hehre Beweggründe verantwortlich sind. Immer, wenn ich in London als Schreiberling beschäftigt bin, erspare ich meiner Gemeinde in Irland, meine Predigten anhören zu müssen – und mir bleibt es erspart, meine Gemeindemitglieder anhören zu müssen.«
»Dann predigen Sie also nicht gerne, Dr. Swift?«, fragte Lord Petre und suchte sein Erstaunen zu verbergen.
»Nicht über Religionsfragen, Mylord«, antwortete Swift lächelnd. »Meine Fähigkeiten werden dem Thema Glauben als solchem nicht gerecht, wenigstens nicht der irischen Variante. Wenn ein Mensch glauben will, dass das Fleisch unseres Erlösers eine essbare Annehmlichkeit ist, die der Nation am Sonntagmorgen zum Frühstück serviert wird, so liegt es jenseits meines rhetorischen Vermögens, ihn eines Besseren zu belehren.«
Lord Petre deutete ein Lächeln an, um vergessen zu machen, dass er Katholik war. Swift sprach ja schließlich von
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