Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
meinen Sie, an welche beiden Sinne Mr.Hill hier denkt?«
»Jedenfalls nicht die zwei, an die ich denke«, erwiderte Alexander. »Aber da er der Direktor dieses Theaters ist, besteht für ihn ja eine erfreuliche Aussicht, die ihn zu immer größeren Anstrengungen anspornt: eines Tages in der Lage zu sein, der dramatischen Begabung eines anderen Respekt zu verschaffen.«
»Aber Mr. Hill ist gar nicht mehr Direktor«, sagte Steele genüsslich, entzückt, jemanden zu finden, dem er die Neuigkeit von der Entlassung des Managers verkünden konnte. »Haben Sie es nicht gehört? Er ist seit Anfang des Monats abgesetzt – die Bühnenbildner wurden nicht bezahlt, und nach der Episode mit den Vögeln hatte es Proteste gegeben.«
»Vögeln?«, fragte Alexander nach. »Davon habe ich nichts gehört.« Er fragte sich, wie Steele wohl zu dieser Information gekommen war. Vielleicht kamen Leute mit solchem Tratsch zu ihm in der Hoffnung, dass er darüber in seiner Zeitschrift schrieb.
»Das war eine höchst amüsante Episode für diejenigen unter uns, die der italienischen Oper am liebsten eine triumphale Rückkehr in ihr Ursprungsland wünschten«, schmunzelte Steele. »Vor ein paar Wochen war ich mit Joseph Addison zusammen in Covent Garden, und da sah er plötzlich einen Jungen mit einem großen Käfig voller Sperlinge vorübergehen. Addison, den Sie noch kennenlernen müssen, fragte ihn, wohin er mit denen wolle, und der Junge erzählte uns, die wären für die Oper. ›Für die Oper?‹, fragte ich. ›Wieso, sollen sie geröstet werden?‹ Ich dachte, Hill wäre schließlich doch noch auf eine Idee gekommen, die ihm ein bisschen Geld einbrächte. Aber nein! Der Junge erklärte, die Sperlinge sollten nach dem ersten Akt auf die Bühne fliegen.«
Alexander beugte sich näher in der Erwartung, dass Steeles Anekdote auf ihren Höhepunkt zusteuerte.
»Sie können sich sicher meine Verblüffung über diese Mitteilung vorstellen. Aber meine Verblüffung war nichts, verglichen mit jener der Damen im Publikum, als sie feststellten, dass die Vögel während des dritten Aktes anfingen, in ihren hochgetürmten Frisuren Nester zu bauen. Noch mehr Durcheinander gab es am folgenden Abend, denn die Sperlinge hatten anscheinend Mr. Hill nicht verstanden, als er ihnen erklärte, dies sei heute ein anderes Stück. Sie hörten nicht auf, in höchst unpassenden Momenten in Erscheinung zu treten, löschten die Kerzen beim Umherflattern und brachten den Köpfen der Zuschauer großes Ungemach. Man kann daraus am Ende nur folgern, dass es die Sperlinge waren, die vergnügt die Szene beherrschten, und Mr. Hill, der geröstet wurde.«
Bis Steele seine Geschichte zu Ende gebracht hatte, war die Loge bereits fast vollständig mit Operngästen gefüllt, und die Pointe löste herzhaftes Gelächter aus. In dem Durcheinander der hereinströmenden und Platz nehmenden Herren entdeckte Alexander Jervas inmitten einer großen Gruppe von Freunden und Bekannten. Lord Petre, Robert Harley und Jonathan Swift, alle waren sie um ihn versammelt, ebenso ein Freund, den Alexander nur vom Sehen in den Gaststätten kannte. Steele trat ohne Umschweife auf Staatsminister Harley zu und stellte sich vor. Lord Petre hastete an die Brüstung der Loge, blickte sich im Zuschauerraum um und interessierte sich wenig für das, was unter seinen Freunden vorging.
Inzwischen hatte die Oper begonnen, doch das hatte kaum Auswirkungen auf die meisten der Zuhörer, die munter weiter redeten und umherliefen wie zuvor. Jervas gesellte sich wieder zu Alexander und nahm auf Steeles altem Sitz Platz.
»Meine Güte«, sagte Jervas und blickte über die Brüstung der Loge. »Was die da unten für einen Lärm machen! Ist ja kaum zu unterscheiden, welche Töne Mr. Händel für seine Trommeln und Posaunen komponiert hat und welche von Mr. Hills Leuten stammen, die hinter dem Vorhang die Szenerie aufbauen.«
»Dem Publikum ist das gleichgültig, solange die Leute nur weiter ihren Tabak schnupfen, rauchen und zur Damenloge hinaufstarren können«, erwiderte Alexander. »Vermutlich ist es aber Mr. Händel ganz und gar nicht gleichgültig, von dem ich nur hoffe, dass er nicht anwesend ist und diese Szene miterleben muss.«
»Fast bedaure ich den Einblick in Mr. Hills Libretto«, kam Steele auf seine Lektüre der Opernhandlung zurück. »Hier wird mir versprochen, dass der König von Jerusalem in einem Triumphwagen, gezogen von zwei weißen Rössern, vorfährt. Aber durch die Szene, die sich da
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