Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
auf sie hinab. Das würde doch wenigstens seine Überheblichkeit offen und ehrlich zeigen. Aber diese Kerle demonstrieren ihre Eitelkeit durch die Mühsal, die sie beim Lesen und Studieren auf sich nehmen. Das ist so eine unerträgliche Heuchelei.«
Alexander erwiderte in der Hoffnung, dabei nicht lächerlich zu wirken: »Sie müssen doch jeden Tag daran erinnert sein, Dr. Swift, wie sehr sich der Pfad, auf dem Sie schreiten, von dem Ihrer Mitreisenden unterscheidet. Aber so erzeugt Orthodoxie eben Häresie.«
»Sir – sind Sie ein Konformist, was Religion betrifft?«
Alexander war verblüfft über diese Frage. Er hatte nicht gedacht, dass Swift die Religion zum Thema machen würde, wo er doch wissen musste, dass er Katholik war. Denn dieses Detail hatte Steele gewiss nicht unerwähnt gelassen. Aber er beschloss, Swift offen zu antworten: »Meine Familie ist religiös«, erwiderte er, »und wenn ich daheim bin, dann spreche ich so viele Gebete, dass ich kaum Verse zustande bringe. Ich betrachte mich als Gelegenheitskonformisten. So wie ich in der Stadt betrunken und skandalös bin, um meinen Gefährten zu gefallen, so bin ich zu Hause ernst und brav – aus demselben Grunde.« Er versuchte, sich das Lachen über seinen eigenen Scherz zu verkneifen, aber es gelang ihm nicht.
Auch Swift lachte, ohne es zu beachten. »Sie sind witzig, Mr. Pope. Lord Petre hat mir zwar erzählt, Sie seien kein Satiriker, aber ich glaube, da irrt er sich.«
»Ich werde ihn nicht korrigieren«, antwortete Alexander, überrascht zu hören, dass es Lord Petre gewesen war, der über ihn gesprochen hatte. Also war es nicht Steele gewesen. Er bemerkte, dass ein Dritter ihnen zuhörte. Es war Swifts Freund, ein kleiner, rundlicher Bursche, den Swift als John Gay vorstellte.
»Ich weiß, Sie sind ein Schreiberling, Mr. Pope«, sagte Gay. »Ich habe Ihre Verse gelesen und sie ungeheuer bewundert.«
»Mr. Pope sollte wohl eher Schriftsteller als Schreiberling genannt werden«, korrigierte Swift ihn. »Er besitzt Bildung und wird eines Tages ein Epos im Stile Vergils schreiben.«
Aber Alexander hob abwehrend die Schultern. »Ihre Laudatio lässt mich zu einem langweiligen, trockenen Gelehrten schrumpfen«, meinte er lachend, »so einem, dessen größter Ehrgeiz darin besteht, ein Traktat für Die Werke der Gebildeten zu schreiben.«
Gay grinste. » Die Werke der Gebildeten! Ist das wirklich eine Zeitschrift?«
»Aber gewiss doch. Unlesbar von Anfang bis Ende.«
»Der Titel gefällt mir aber wirklich sehr«, begeisterte sich Gay, »so total absurd und überbläht! Und hiermit mache ich Ihnen einen Vorschlag: Ich meine, wir drei gründen eine Gesellschaft vehementester Opposition gegenüber langweiligen Journalen und langweiligen Männern. Unsere Publikation wird heißen: Die Werke der Ungebildeten. Und wir veröffentlichen so selten wie möglich.«
»Ein großartiger Plan«, lachte Alexander, entzückt über seinen Erfolg bei Swift. »Wir werden als die großen Ungebildeten unseres Zeitalters in die Geschichte eingehen.«
»Viel besser als als große Weise vergessen zu werden!«, mischte Swift sich wieder ein.
Die Opernmusik schwoll zu durchdringendem Schmettern an, und die Aufmerksamkeit des Publikums wandte sich vorübergehend wieder der Bühne zu.
Gay, der das Drama mit noch größerem Vergnügen verfolgt hatte als Steele, rief ungestüm: »Meine Güte, ich fürchte, die Veranstalter haben vergessen, die Seitenkulissen zu wechseln. Jetzt haben wir ein Bühnenbild mit dem Ozean mitten in einem lieblichen Hain. Ich muss gestehen, ich bin erstaunt, einen wohlgekleideten jungen Burschen mit Allongeperücke mitten in der See erscheinen zu sehen, und ohne ersichtliche Verlegenheit auch noch zu schnupfen!«
In all der freudigen Erregung durch die Oper blieb Lord Petre ungewohnt stumm. Er stand in der Ecke der Loge, versuchte, sich auf die Aufführung zu konzentrieren, richtete jedoch in Wirklichkeit seine ganze Aufmerksamkeit auf die Damenloge, während er an den Knöpfen seines Rocks herumfummelte. Er hatte bemerkt, wie Robert Harley ihn anblickte und sich wohl wunderte, was mit ihm los sei, aber er konnte es nicht ändern, weder das noch seine sichtbare Unaufmerksamkeit gegenüber den Darstellern. Alles, was er wissen wollte, war, ob Arabella da war, und zwar, weil er sie gebeten hatte zu kommen.
Er redete sich gut zu, dass es ja nur noch wenige Minuten dauerte, bis der erste Akt zu Ende war. Dann würde er mit den anderen Herren die
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