Die Verfuehrung Des Ritters
Brust. Der Graf senkte den Blick und verbeugte sich mit einer übertrieben höflichen Geste. Sein aalglattes Lächeln klebte geradezu auf seinem Gesicht.
»Euer Anliegen ist das Erste, um das ich mich morgen Früh kümmern werde, Mylady. Ihr habt mein Wort. Würde es Euch etwas ausmachen, über Nacht in der Residenz des Königs zu bleiben, damit Ihr am Morgen schnell zur Stelle seid? Nein?
Nun schaut doch nicht so erschrocken drein, Mylady, es war nur eine Frage. Nun, dann bis morgen früh.«
Er bewegte sich durch die Menge wie ein Schiff, das durch das Meer pflügt. Gwyn fuhr herum. Kälteschauer krochen über ihre Haut, spannen ein Netz aus prickelndem Entsetzen. Das war doch nicht möglich. Heiliger Judas, das konnte doch nicht sein.
Marcus' Stimme erklang dicht an ihrem Ohr. »Wisst Ihr, Gwyn, der König glaubt, Eure Treue zu ihm wird auch mich an ihn binden. Aber wer kann schon sagen, ob das so sein wird?
Wenn jedoch eine so schöne Frau wie Ihr zu Hause auf mich wartet...« Er wickelte eine Haarsträhne um seine Finger. »Vielleicht könnte ich dann ein gewisses Maß an Loyalität in meinem Herzen finden.«
Sie trat ihm wütend auf den Fuß und lief davon.
Nachdem er in der Menge nach ihr gesucht und seine Nase, auf der Suche nach der grünäugigen Schönen in jeden Mauerriss und jeden Winkel gesteckt hatte, musste Marcus fitzMiles sich schließlich eingestehen, dass sie verschwunden war. Die kleine Närrin.
Sie glaubte allen Ernstes, ihn so leicht loszuwerden? Nicht, solange eine Grafschaft auf dem Spiel stand. Und erst recht nicht, wenn es um ein Anwesen ging, das ihm immerhin um die zweitausend Pfund im Jalir einbringen würde. Oh nein. Selbst wenn die Gräfin ein hässliches Weib mit zusammengewachsenen Augenbrauen gewesen wäre - die Grafschaft Everoot wäre es allemal wert, diese Qual auf sich zu nehmen.
Zum Zeitpunkt des überraschenden Todes von Ionnes de l'Ami - das Ereignis lag jetzt zwei Wochen zurück - war Marcus Gast auf der Burg gewesen. Er hatte sogleich den Entschluss gefasst, sich das Nest mitsamt der Erbin zu schnappen. Dieses Küken mit den rabenschwarzen Haaren war einfach zu verführerisch, um es einem anderen Mann zu überlassen.
Aber zu seiner Überraschung hatte er feststellen müssen, dass er auf den rechten Augenblick warten musste. Lady Guinevere hatte ihre Flügel vielleicht noch nie erproben können, aber man hatte sie ihr auch noch nie gestutzt. Was ilir an Führungserfahrung fehlte, vermochte sie durch die Fähigkeit wettzumachen, Loyalität zu wecken. Ihre Ritter waren wie eine Meute wilder Hunde. Marcus hatte war klar geworden, dass er die Männer umhätscheln und umsorgen musste, obwohl er ihnen am liebsten einen Tritt verpasst hätte, damit sie von hier zu den Cinque Ports flogen.
Darum hatte er abgewartet. Er hatte neben Lady Guinevere gestanden, als ihr Vater in der Familiengruft beigesetzt wurde, hatte ihr sein Beileid ausgedrückt - was sie mit einem finsteren Blick quittiert hatte - und ihr angeboten, ihr mit Rat und Tat bei der Verwaltung des Lehens zur Seite zur stehen. Sein Angebot war mit gleichgültiger Verachtung abgelehnt worden. Er hatte das mit Anstand und lächelnd ertragen, doch bei der Erinnerung daran schmerzte ihm noch jetzt der Kiefer. Und er hatte gewartet. Auf den richtigen Augenblick.
Aber jetzt war das Warten vorbei. De l'Ami war tot, die Soldaten von d'Endshire standen vor den Toren der Burg Everoot, und König Stephen befand sich in einem Zustand zunehmender Verwirrung, der es ihm unmöglich machte, mehr als kraftlosen Widerstand zu leisten, wenn Marcus das Nest übernahm. Wenn überhaupt Widerspruch vom König kam. König Stephen hatte Marcus' Bitte, Guinevere heiraten zu dürfen, abgewiesen. So ein Dummkopf! Aber solange die Countess anderes glaubte, war das für ihn umso besser. Es war dann einfacher, sie zu überreden.
Aber ob einfach oder nicht, Guinevere würde seine Frau werden. Die Wurzeln des Stammbaums der Familie Everoot reichten weit zurück in der Geschichte dieses Landes, und die Äste dieses Baumes umfassten verschiedene Anwesen und Forstrechte von Schottland im Norden bis hin zur Irischen See. Und in Northumbrien, im Herzen des Heidelandes, lag das Nest.
Und dieses schlagende Herz barg einen Schatz in sich, der faszinierender war, als man es sich vorstellen konnte.
Ein letztes Mal ließ Marcus den Blick über die Menschenmenge gleiten. Guinevere war tatsächlich verschwunden.
Voller Wut hätte er am liebsten
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