Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
dazu, Schlupflöcher aufzuspüren und hindurchzudringen wie Wasser.«
    Â»Rodraeg?«, war jetzt von weiter hinten Kinjos durch den Nebel gedämpfte Stimme zu hören. »Mit wem sprichst du da?«
    Der alte Mann wandte dem jungen Geistertänzer nun seine volle Aufmerksamkeit zu. »Kinjo Utanti«, sagte er, »vielleicht ist es nicht von Nachteil, dass ich dir noch einen kurzen Hinweis geben kann. Durch den Stab, den Rodraeg dir übereignen wird, wirst du in eine neue Sphäre aufsteigen. Dadurch wirst du interessant und gefährlich, sowohl für Zarvuer als auch für Udin Ganija. Vielleicht solltest du in Zukunft einen Teil deiner Kraft darauf verwenden, den Konflikt mit Zarvuer zu lösen, während Rodraeg sich um Ganija kümmert.«
    Â»Rodraeg?«, fragte Kinjo noch einmal. »Ich verstehe kein Wort. Was ist hier los?« Der Geistertänzer war nun deutlich zu erkennen. Im Hintergrund schwirrten Kakadus und Funkenvögel umher.
    Rodraeg spürte plötzlich die Berührung einer Hand auf seiner Schulter.
    Die Hand eines alten Mannes. Eines Bettlers. König Rinwes. Eines Gottes.
    Â»Nun werde ich dich verlassen und dich mit größter Wahrscheinlichkeit niemals wiedersehen, mein Sohn«, sagte der alte Mann väterlich. »Nimm dir zu Herzen, was ich dir gesagt habe! Wende es um und um, wie es nun einmal deine Art ist, und bahne dir aus dem ganzen Gestrüpp den einzigen richtigen Weg!«
    Â»Habe ich«, fragte Rodraeg, plötzlich eingeschüchterter als in den ganzen Sandstrichen der Begegnung zuvor, »einen Frevel begangen, als ich nicht vor Euch auf die Knie fiel?«
    Noch einmal verstärkte sich das Lächeln des Alten nun beinahe zu einem Leuchten. »Es ist dumm, auf nacktem Fels zu knien«, sagte er, »aber es ist eine sehr kostbare Sache, jemandem Glauben zu schenken . Mehr kann auch ein Gott nicht verlangen.« Dann löste er sich auf. Er löste sich auf in Papageien und Tukane, Kolibris und pfirsichwangige Sittiche. Und all dieses farbenfrohe Gefieder verging wiederum zu blendend hellem Nebel. Der göttlichen Aura eines Berges.
    Rodraeg stand wie benommen, bis Kinjo an ihn herantrat und ihn stützte.
    Â»Wer war das?«, fragte der Dunkelhäutige.
    Â»Du hast ihn also auch gesehen?«
    Â»Mit den Augen sah ich ihn nur undeutlich. Aber mein Sinn, zu dem die Geister beim Tanzen sprechen, sah ihn leuchten von weither. Mir war, als wäre ich stundenlang gewandert, um hierher zu gelangen.«
    Â»Genau genommen sind wir tagelang gewandert, fünfzehn Tage durch den Urwald. Hast du gehört, was er gesagt hat?«
    Â»Ja, aber ich konnte mit den Namen nichts anfangen.«
    Rodraeg hatte das Gefühl, alles schon wieder vergessen zu haben, was Delphior ihm berichtet und aufgetragen hatte, aber als es ihm schließlich gelungen war, sich durch Ebenen der Aufgeregtheit, Verunsicherung, Ungläubigkeit und Verlustangst hindurchzubahnen, bemerkte er, dass sich ihm jedes einzelne Wort eingeschrieben hatte, als stünde ihm ein eben verfasster Text vor Augen.
    Â»Lass uns die anderen beiden suchen und heil wieder von diesem Berg hinunterkommen, Kinjo«, sagte er schließlich. »Ich habe dir einen Stab zu übergeben, einiges an Wissen und viele Zweifel. Dann sehen wir weiter, während du uns führst.«
    Sie gingen gemeinsam bergab.
    Â»Sind das wirklich Vögel?«, fragte Kinjo nach einer Weile verzaubert.
    Â»Ja, ich denke, das sind wirklich echte Vögel«, antwortete Rodraeg. »Sie warten hier darauf, dass du es endlich regnen lässt und sie den Wald wieder in Besitz nehmen können.«

8

Das Tier und die Trommel
    Sie fanden Tegden herumirrend im Nebel und Bestar am Rande eines Abhanges schlafend.
    Der Klippenwälder ärgerte sich ungeheuerlich, als Rodraeg den anderen erzählte, was sich am Gipfel des Temé-Béku abgespielt hatte. »Das ist nun schon das zweite Mal, dass ich den Höhepunkt einer Geschichte nicht mitbekomme!«, schimpfte er. »Damals in der Höhle des Alten Königs war ich zu dämlich, das Rätsel mit den vier Rädern zu lösen, und jetzt lasse ich mich wie ein Säugling von einem dicken Nebel einschläfern!«
    Tegden lächelte. »Sieh es einmal so: Im Gegensatz zu mir bist du wenigstens nicht sinnlos herumgeirrt, sondern hast die Ruhe weggehabt, deinen wohlverdienten Nachtschlaf nachzuholen. Nun bist du der Frischeste von

Weitere Kostenlose Bücher