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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Felsenwüste schließlich sei er »hinter die Gefilde der Furcht« getreten und »einfach dort verblieben«. Es sei nun unmöglich, diesen Mann noch durch irgendetwas zu beunruhigen. Was er auf dem Rückweg vom Feldzug, als die »Verbrannten und Verseuchten wie schreiende, flügellose Fliegen hinwegstarben«, erlebt habe, sollte für ein ganzes Leben hinreichen. Tegden Baudo war um die dreißig, hatte gewelltes braunes Haar und ein sanftes, durchaus offenes Gesicht mit jungenhaften Zügen. Als Waffe trug er ein Schwert. Ein echter Soldat war er offensichtlich nie gewesen, jedoch ein gallikonischer Kampfsöldner, von denen einige am Feldzug teilgenommen hatten, um die vielen Magier dort zu beschützen.
    Der andere Veteran, der sich jetzt Der Erleuchtete nannte und bei dem es sich um jene hagere, krummrückige Gestalt handelte, die letzte Nacht vor der Gästehütte Wache gehalten hatte, war einfacher Fußsoldat in der glorreichen Armee der Königin gewesen und nach dem Feldzug in allen Ehren entlassen worden, weil er im Verlaufe des Feldzuges zu so einer Art religiösem Prediger geworden war. »Er hat das Licht gesehen«, erläuterte Ijugis, der seine Leute nicht ganz unpassend vorführte wie Jahrmarktsattraktionen, sodass Rodraeg von allem, was er sagte, immer nur die Hälfte für bare Münze nahm. »Das direkt von den Göttern herrührende Licht, welches das halbe Heer zu Knochenasche verbrannte – und er hat dieses Licht überlebt. Der Erleuchtete ist nun beides: der tiefste Glauben und der höchste Unglauben in einem!« Vom Erleuchteten, dessen Augäpfel stets von geplatzten Blutgefäßen gerötet waren, ein Leiden, das ihn seit »dem Licht« nicht mehr verließ, erhielt Rodraeg leihweise ein Langmesser. Der Erleuchtete brauchte es nicht unbedingt, denn er hatte noch drei weitere.
    Und dann war da noch – mitten in dieser Ansammlung aus Gewaltbereiten und Außenseitern, möglicherweise Überschätzten, möglicherweise jedoch auch Fähigen – Migal Tyg Parn. Er gehörte jetzt, nach kaum einem halben Jahr, bereits zu Ijugis’ langlebigsten Männern – einzig Onouk und Ijugis selbst waren schon länger beim Erdbeben als Migal. Für Tegden Baudo und Ukas Nouis war dies sogar ihr allererster Einsatz im Zeichen des Erdbebens .
    Migal hatte sich äußerlich ebenso wenig verändert wie Timbare. Er trug die Haare immer noch lang und mit etlichen dünnen Zöpfchen durchwirkt. Sein Gesicht war wohlgeformt und ernsthaft, und seine gesamte körperliche Schwertkriegerpräsenz – der von Bestar mehr als ebenbürtig – ließ ihn auch beim Erdbeben auf den ersten Blick als den augenscheinlich gefährlichsten Kämpen herausragen. Lediglich zwei Details waren neu an ihm: Beim Gehen hinkte er, ganz leicht, beinahe unmerklich, fast eher ein leichtes Ruckeln im ansonsten flüssigen Bewegungsablauf denn ein wirkliches Humpeln – und er betrachtete Bestar und Rodraeg mit unverhohlener Verachtung. Aber wenigstens Tjarka gegenüber verhielt er sich unparteiisch.
    Seit der Höhle des Alten Königs wusste Rodraeg um Bestars und Migals gemeinsame Geschichte. Migal hatte Bestars Vater erschlagen, um Bestar damit das Leben zu retten. Danach hatten die beiden, die von Kindheit an wie Brüder gewesen und die durch Bestars furchtbaren Vater vielleicht noch enger als Brüder zusammengeschweißt worden waren, ihre Heimat Taggaran verlassen müssen und einige unbeträchtliche Abenteuer erlebt, bevor das Schicksal sie nach Warchaim und zum Mammut lenkte. Nach einer einzigen, gehörig fehlgeschlagenen Mission war dann für Migal Schluss gewesen. Die Worte, die Migal Rodraeg damals entgegengeschleudert hatte, hallten immer noch schmerzhaft in Rodraegs Kopf wider: »Nie mehr will ich euch sehen, denn ihr erinnert mich an die Tage, in denen ich toter war als tot. Eure Fratzen sind für mich auf ewig mit dem Totenreich verbunden, mit dem Geisterfürsten und seiner stinkenden Höhle. Ich gehe mit Ijugis und Onouk, um zu kämpfen. Ich werde nie wieder stillhalten und dulden, nie mehr.« Und jetzt, nur ein halbes Jahr später, zwang der Lauf der Dinge sie schon wieder zusammen.
    Rodraeg spähte mehrmals seitlich zu Bestar hinüber. Wie würde Bestar auf Migal reagieren? Würde er auf Aussöhnung drängen und dadurch die angespannte Situation noch

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