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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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einer Aufgabe, bei der man sich in Kampf und Körperlichkeit vergessen konnte. Beim Erdbeben hat sie diese Aufgabe gefunden.«
    Rodraeg dachte an Cajin Cajumery, dessen Mutter ihn auf einem jazatischen Schlachtfeld zur Welt gebracht hatte. Wahrscheinlich war Cajins Mutter zehn Jahre jünger gewesen als Selke Birlen, aber die Lebensläufe wiesen dennoch Parallelen auf.
    Â»Was kannst du mir noch über die anderen erzählen, mit denen wir hier unterwegs sind?«
    Â»Du willst ihre Geschichten hören, bevor sie tot sind?«
    Â»Ich will einfach nur ihre Geschichten hören.«
    Ijugis lächelte. Seine beiden Augen schauten dabei in leicht unterschiedliche Richtungen. Ȇber den Erleuchteten und Tegden und ihre Affenmenschen weißt du schon alles. Onouk ist die zäheste und beste Kämpferin, der ich je begegnet bin. Sie war Piratin in Skerb, bevor sie dort einen Kapitän erschlug, der frech wurde. Mehr sollte ich dir besser nicht erzählen, sonst spottet sie über dich, weshalb du nicht Manns genug bist, sie selbst zu fragen. Jacomer war ein Wilderer im Silberkronengebirge, bevor er zu uns stieß. Er lebte recht gut davon, gegen Bezahlung königliches Wild an hungerleidende Familien zu liefern. Ich glaube, es gibt sechs oder sieben Steckbriefe auf ihn, doppelt so viele wie auf mich. Ukas Nouis dagegen hat es in Aldava beinahe bis zur kontinentalen Meisterschaft im Schwergewicht gebracht. Ich glaube, er gehörte zum Kreis der besten vier oder fünf Meisterschaftsanwärter. Aber dann machte ihm ein Kopfschaden einen Strich durch die Rechnung. Er fing an, im Ring über seine eigenen Füße zu stolpern. Das ist natürlich blöd, wenn man sich im Kampf selbst im Wege steht. Da er von königlichen Reichschweinen mit irgendwelchen Knebelverträgen zum Weiterkämpfen gezwungen werden sollte, schloss er sich lieber dem Erdbeben an und schubst nun den Günstlingen der Königin ihre schmutzigen Geschäfte durcheinander, wo immer es nur geht. Ich nannte ihn einmal einen Knüppel zwischen den Beinen der Königin , und dieses Wortspiel mit den Beinen hat ihm sehr gut gefallen. Bei uns macht es nichts, dass er manchmal strauchelt. Bei uns kommt es nicht auf Filigrantechnik an, sondern eher auf Wucht. Ein Erdbeben halt. Na ja, und über Migal weißt du, denke ich, mehr als ich.«
    Â»Hat Migal sich jemals über das Mammut geäußert?«
    Â»Bei jeder sich bietenden Gelegenheit.« Ijugis lachte. »Ist es wirklich wahr, dass ihr in Terrek versucht habt, euch in einer von Kruhnskriegern bewachten Einrichtung als Gesandte einzuschleichen, die ein Mittel zur Reinigung des Flusses verkaufen wollen?« Ijugis lachte so laut, dass auch andere aufmerksam wurden und mitlachen wollten. »In einer Rüstungsschürfstelle der Königin?«
    Rodraeg schluckte seine Frustration herunter. Das war damals ein unglaublich dummer Plan gewesen, fahrlässig die tatsächliche Gefahrenlage unterschätzend. Längst hatte Rodraeg einsehen müssen, dass man den Problemen des Kontinents nicht allein mit List beikommen konnte, denn die Gegner waren in Verschlagenheit viel erfahrener als das Mammut . Wieder sah er aus den Augenwinkeln Riban Leribins Kopf ins Unterholz rollen, wie oft, wenn ihn ein innerer Stich traf.
    Â»Wir versuchten damals … Blutvergießen zu vermeiden«, sagte Rodraeg zähneknirschend. »Das erübrigte sich dann, als Hellas in Aktion trat – und später dann ihr. Dennoch glaube ich immer noch, dass Gewalt die Dinge nicht besser, sondern immer nur schlimmer macht. Siehe Jazat. Siehe Skerb. Siehe den Affenmenschenfeldzug.«
    Â»Ja, ja.« Mit dem Handrücken wischte Ijugis sich über den Kinnbart und wurde auf müde Weise ernst. »Siehe Terrek, wo wir euch mit Gewalt befreien mussten. Siehe Chlayst, wo wir mit Gewalt die korrupten Ordnungskräfte vom Plündern abgehalten haben. Siehe diesen Regenwald, wo wir die wahnsinnig gewordenen Spinnenmenschen mit Gewalt dazu zwingen müssen, ihren eigenen beschissenen Lebensraum nicht kaputt zu machen, und wo wir heute eine gute Frau verloren haben, die nichts anderes im Sinn hatte, als zu helfen.«
    Rodraeg nickte, ebenfalls plötzlich erschöpft. Selke Birlens letzter, zutiefst erschrockener Schrei schien immer noch durch diesen Wald zu gellen und würde vielleicht niemals zur Ruhe kommen.

    Mitten in der Nacht begann es zu regnen. Es sah aus, als

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