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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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eins.« Franny rieb sich die Augen. »Entschuldige, ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist. Ständig vergesse ich alles.«
    Lily sah, wie verstört Franny wirkte, und tröstete sie eilig. »Ach, sei nicht albern. Wahrscheinlich habe ich mich geirrt.«
    Franny schien sie gar nicht zu hören. Lily beobachtete, wie desinteressiert ihre Freundin in der Speisekarte blätterte. Franny gefiel ihr in letzter Zeit gar nicht. Die lebenslustige, witzige und erfolgreiche Freundin von früher schien gegen eine empfindliche, gedankenabwesende Fremde ausgewechselt worden zu sein – und Lily wusste genau, wer für diese Veränderung verantwortlich war. Max. Seit die beiden geheiratet hatten, hatte sich Franny verwandelt. Lily graute vor der Vorstellung, wie ihre Freundin allein da draußen in dieser abgeschiedenen Burg festsaß und nur Max zur Gesellschaft hatte – vor allem, nachdem ihr schon mehrmals Blutergüsse an Frannys Armen aufgefallen waren. Franny tat diese blauen Flecken jedes Mal ab und behauptete, sie habe sich gestoßen. »Ach, Liebes, du weißt doch selbst, wie ungeschickt ich bin.« Dabei war Lily das früher nie aufgefallen.
    Sie wusste nicht recht, was sie unternehmen sollte. Den Ehemann einer Freundin zu kritisieren war ein striktes Tabu, eine Todsünde. Und sie konnte Franny nicht immer wieder fragen, wie es ihr wirklich ging, ohne dass es zwischen ihnen zum Streit kam. Aber als Lily sah, wie unglücklich ihre Freundin heute aussah, beschloss sie, einen letzten Vorstoß zu wagen. Sie beugte sich über den Tisch und nahm Frannys Hand.
    »Liebes, ich will dich wirklich nicht bedrängen, aber du siehst schrecklich bleich aus. Ist wirklich alles in Ordnung?«
    »Ja, natürlich.« Frannys Lächeln wirkte in Lilys Augen gezwungen. »Im Gegenteil, es ist alles bestens. Ich wollte das eigentlich noch nicht erzählen, aber was soll’s – ich habe Neuigkeiten.«
    »Ach?«
    »Ja.« Franny holte tief Luft. »Ich habe gestern herausgefunden, dass ich schwanger bin.«
    Lily hätte um ein Haar das Mineralwasser ausgespuckt, das sie gerade trank. »Schwanger?«, stotterte sie. Damit hatte sie nun überhaupt nicht gerechnet. »Ich wusste gar nicht, dass ihr ein Kind wollt.«
    »O doch. Und zwar schon seit einiger Zeit.«
    Das kam für Lily vollkommen überraschend. Franny war ihr nie besonders mütterlich erschienen, und sie hatte sichtlich Mühe, mit Max’ Kindern zurechtzukommen. Da Lily aber keinesfalls unhöflich erscheinen wollte, versuchte sie all die Fragen zu stellen, die in so einer Situation von ihr erwartet wurden.
    »Das ist ja wunderbar! Und wie weit bist du?«
    »Ähm …« Franny wirkte plötzlich verunsichert. »Im vierten Monat«, antwortete sie vage. »Vielleicht auch schon im fünften.«
    »Und wie geht es Max? Ist er glücklich?«
    »Überglücklich.« Franny klang fröhlich, aber irgendwie schien das gespielt. Im Grunde wirkte sie eher bekümmert als glücklich.
    In diesem Moment kam Lily der jüngst entlassene Gärtner in den Sinn. Sie hatte Franny nie direkt gefragt, ob an den Zeitschriftenartikeln etwas Wahres war – es war ein ungeschriebenes Gesetz in ihrer Clique, keine derartigen Fragen zu stellen. Aber jetzt, nach der unerwartet verkündeten Schwangerschaft, begann sie sich doch zu fragen, ob Franny diesmal in ernsten Schwierigkeiten steckte …
    »Das ist ja wunderbar«, sagte Lily noch einmal, weil sie beim besten Willen nicht wusste, wie sie den Verdacht, der unvermutet in ihr aufgekeimt war, aussprechen sollte. »Wie aufregend für euch beide!«
    »Ja«, bestätigte Franny eigenartig tonlos. »Das ist es wirklich.«
    Lily versuchte sich für Franny zu freuen. Schließlich wirkte sie in jenen ersten Wochen tatsächlich ein bisschen glücklicher als früher. Nicht dass Lily ihre Freundin danach noch oft gesehen hätte. Am Ende des vierten Schwangerschaftsmonats kam es zu Komplikationen – der Bluthochdruck, erklärte ihr Franny am Telefon, würde sie ans Bett fesseln. Lily wollte sie besuchen, aber jedes Mal, wenn sie sich ankündigen wollte, erklärte ihr diese grässliche Haushälterin, Hilda, dass Franny gerade unpässlich sei. Angeblich stammte diese Auskunft jedes Mal von Franny, doch das glaubte Lily keine Sekunde: Die Anweisung kam natürlich von Max. Davon war sie überzeugt. So wie sie es sah, wollte er Franny für sich allein haben und schnitt sie von ihrer Umwelt ab.
    Lily hatte gehofft, dass sie ihre Freundin wieder öfter sehen würde, nachdem das Kind erst geboren

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