Die vergessene Frau
dich nur aufziehen will.« Dann wurde er ernster. »Er muss verrückt sein, dich in die Wüste zu schicken.«
Cara sah weg, weil sie wie immer nicht wusste, wie sie auf Dannys ungewohnte Komplimente reagieren sollte. Seit er aus dem Gefängnis gekommen war, behandelte er sie anders, gar nicht mehr wie eine kleine Schwester, und das warf sie immer noch aus der Bahn. Genau das hatte sie sich immer erträumt, und sie fürchtete sich davor, was passieren würde, wenn der Traum zerplatzte. Darum machte sie aus seinem Kommentar einen Witz. »Da kommt jede Entschuldigung zu spät«, verkündete sie mit gespielter Empörung. »Ich weiß nicht, ob ich dir das je verzeihen kann.«
Danny spielte mit und sah sie mit großen, flehentlichen Augen an. »Irgendwas muss ich doch tun können …«
Cara überlegte kurz. »Na schön … du könntest mir was zu futtern kaufen«, gab sie nach. »Nach dem Kuddelmuddel heute Abend bin ich am Verhungern.«
Sie fuhren mit dem Taxi bis zum Rock ’n’ Roe, das auf dem Heimweg lag, und kauften sich dort je eine Tüte Pommes frites. Die aßen sie, während sie die Straße entlangschlenderten, und bis sie bei Annie angekommen waren, hatten Salz und Essig das Zeitungspapier durchtränkt und Caras Hände überzogen. Ohne nachzudenken, leckte sie ihre Finger ab. Danny lächelte zweideutig.
»Soll ich das übernehmen?«
Cara schüttelte in gespieltem Ärger den Kopf. »Nein danke. Ich hatte genug unerwünschte männliche Aufmerksamkeit für einen Abend.«
Er machte einen Schritt auf sie zu, bis sie sich im dunklen Flur fast berührten.
»Ist sie wirklich unerwünscht?«
Cara stockte der Atem, und ihr Herz begann schneller zu schlagen. Jetzt, wo der Moment endlich gekommen war, wusste sie nicht, was sie tun sollte. »Danny …«, setzte sie an, ohne zu wissen, was sie eigentlich sagen wollte.
»Danny?« Von oben war Annies Stimme zu hören. »Bist du das?«
Der Augenblick war verstrichen. Cara wich einen Schritt zurück. »Ich muss ins Bett«, erklärte sie Danny.
Sie wollte sich schon wegdrehen, aber Danny hielt sie mit einer Hand zurück.
»Warte noch«, sagte er. »Ich wollte dir noch etwas sagen.«
»Was denn?« Sie schaute ihn erwartungsvoll an.
»Ich habe mir eine Wohnung gemietet.«
»Du ziehst aus?« Cara verlor den Boden unter den Füßen.
»Schon. Es wird mir hier zu eng.« Wie um seine Worte zu bestätigen, hörten sie Annie herumschlurfen und murmeln, dass sie ihre Pantoffeln nicht finden könne. »Willst du mitkommen und sie dir ansehen?«
»Klar doch!«, platzte Cara heraus. Dass er sie mitnehmen wollte, wog die Tatsache, dass er nicht mehr so oft hier sein würde, mehr als auf.
Danny hatte schnell etwas gefunden, das ihm gefiel. Einer von Finnbars Kontaktleuten hatte eine Wohnung zu vermieten und ihm einen guten Preis gemacht. Sie lag in Notting Hill, ein Zeichen dafür, dass Danny es zu etwas gebracht hatte. Es war die perfekte Belohnung dafür, dass er zwei Jahre seines Lebens geopfert hatte.
Annie versuchte seine Begeisterung zu teilen, aber das fiel ihr schwer, schließlich zog ihr Sohn aus und im Leben weiter. Einerseits freute es sie, dass er sich so gut machte, andererseits machte es sie traurig, dass sie ihn verlieren würde.
»Ich zeige sie Cara später«, erklärte er ihr jetzt. »Würde mich interessieren, was sie davon hält.«
Annies Augen wurden schmal. Sie hatte gewusst, dass das irgendwann kommen würde, sie hatte bemerkt, wie sich Danny verändert hatte, seit er aus dem Knast gekommen war, und sie hatte gesehen, wie seine Blicke Cara folgten.
Nun sagte sie: »Nimm dich in Acht, Sohn. Cara ist nicht wie die Hühner, mit denen du sonst zu tun hast. Sie ist was Besonderes. Spiel nicht mit ihr.«
Danny breitete die Arme aus. »Mum!«, protestierte er. »Als würde ich …«
Doch Annie hörte ihm gar nicht zu. »Ich habe dich gewarnt«, sagte sie nur.
Cara sah sich in der Wohnung um, die Danny als »Penthouse« bezeichnet hatte. Bis zu diesem Augenblick hatte sie nicht gewusst, was das war. Anfangs war sie eher skeptisch gewesen – seine neue Unterkunft lag in einem der riesigen weißen Blöcke bei Notting Hill, die Annie zweifellos als »piekfein« bezeichnet hätte –, aber dann war sie eingetreten und hatte gesehen, wie schön sie war. Er bewohnte das gesamte oberste Stockwerk, und alle Räume waren hell und weit. Die Wohnung war nach Süden ausgerichtet, und nachdem es jetzt Nachmittag war, flutete das Licht durch die riesigen Fensterscheiben
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