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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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uns geht.«
    Jake tat ihre Bedenken mit einem Handwedeln ab. »Mit Neil werde ich schon fertig«, meinte er.
    »Vielleicht«, gestand sie ihm zu. »Aber du weißt, wie man bei der Zeitung zu Romanzen am Arbeitsplatz steht – einer von beiden muss gehen, und es trifft jedes Mal die Frau.« Sie hatte diese kleine Rede schon länger einstudiert, denn sie hatte geahnt, dass sie sich eines Tages in dieser Situation wiederfinden würde. Der Punkt mit der Arbeit war ihre beste Erklärung, warum sich zwischen ihnen nichts entwickeln konnte – ein ausgesprochen vernünftiges Argument, gegen das Jake wenig einwenden konnte. »Für dich ist das kein Problem. Du stehst über mir. Falls wir uns irgendwann trennen würden, müsste ich darunter leiden. Und dieser Job bedeutet mir alles. Ich will ihn auf keinen Fall verlieren.«
    Als sie verstummte, blieb es lange still. Sie sah Jake an, wie perplex er über ihre heftige Reaktion war. Er hatte gehofft, dass sich aus diesem Abend eine Beziehung entspinnen könnte, doch sie hatte ihm zweifelsfrei klargemacht, dass es niemals dazu kommen würde.
    »Ich sollte jetzt gehen«, sagte Cara leise. Sie wollte aussteigen.
    »Cara.« Jake legte die Hand auf ihren Arm. Widerstrebend drehte sie sich um. Sie sah ihm an, wie verwirrt er war. »Ich verstehe, was du da sagst – wirklich. Aber …« Er verstummte, als wäre ihm plötzlich klar geworden, dass er sie nicht umstimmen konnte. Sie wartete ab, während er still alle Argumente durchging. Schließlich seufzte er, als würde er einlenken. »Vielleicht hast du wirklich recht. Vielleicht ist das tatsächlich keine gute Idee.«
    »Es tut mir leid.«
    Er lächelte traurig. »Aber wir können trotzdem Freunde bleiben, oder?«
    Er streckte die Hand aus. Nach kurzem Zögern ergriff Cara sie.
    »Natürlich«, sagte sie. »Wir bleiben Freunde.«
    Genau das waren sie seither. Freunde. Und wenn Cara manchmal einen schmerzlichen Stich spürte, weil sie nicht mehr als das verband, dann versuchte sie sich jedes Mal abzulenken. Es war besser so – auf diese Weise war er weiter Teil ihres Lebens, und sie riskierte nicht, verletzt zu werden.
    Als sie nun aus Neils Büro zurück zu ihrem Schreibtisch ging, sah sie Jake auf sich zukommen, als hätte er gespürt, dass sie an ihn dachte.
    Der Chefredakteur ließ sich auf Caras Schreibtisch nieder und tastete sie automatisch mit seinem Blick ab. In ihrem midilangen braunen Wildlederrock und dem cremefarbenen Rollkragenpullover wirkte sie modisch und professionell zugleich, aber wie die meisten Männer in der Redaktion bedauerte er das Dahinscheiden des Minirocks, und zwar ganz besonders in Caras Fall. Ihm fehlten ihre Beine. Er räusperte sich und senkte den Blick auf seinen Notizblock.
    »Wie ich gehört habe, wird Rachel Travers morgen in ein anderes Gefängnis verlegt.« Er war sichtlich bemüht, professionell zu bleiben. »Ich dachte, vielleicht willst du ja hochfahren und versuchen, sie zum Reden zu bringen.«
    Obwohl Cara offiziell nicht mehr in der Nachrichtenredaktion arbeitete, sondern als eigenständige Kolumnistin für die Zeitung schrieb, fragte Jake sie hin und wieder, ob sie eine Story übernehmen wolle, wenn er glaubte, dass das Thema sie interessierte. Rachel Travers war so etwas wie Caras persönlicher Kreuzzug. Sie war eine vierzigjährige Prostituierte, die nach jahrelangen Misshandlungen zerbrochen war und schließlich ihren Zuhälter erstochen hatte. Trotz mildernder Umstände – sie war nicht nur Tag für Tag misshandelt worden, sondern hatte obendrein die geistige Reife eines Kindes – hatte ihre Verteidigung ihren Fall so glanzlos vertreten, dass sie zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Cara hatte sich ihres Falles angenommen und einen Kreuzzug angezettelt, um zu erreichen, dass sie freigelassen oder zumindest in eine psychiatrische Einrichtung verlegt wurde. Obwohl die Öffentlichkeit auf ihrer Seite stand, hatte Cara bis jetzt keine Begnadigung bewirken können, doch sie nutzte jeden Anlass, das Thema wieder zur Sprache zu bringen. Jake wusste das und hatte ihr darum diese Story vorgeschlagen.
    »Schade. Aber ich kann nicht.« Cara bedauerte das aufrichtig. »Ich habe morgen frei.«
    Jake zog die Brauen hoch. »Ach was! Geht morgen die Welt unter, ohne dass man es mir gesagt hat?« Er hatte jeden Grund, neugierig zu sein. Es war allgemein bekannt, dass Cara ihren Urlaub Jahr für Jahr verfallen ließ. An Weihnachten, Ostern, an jedem Feiertag, den normale Menschen mit ihrer

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