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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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gelassen, dann ihr Geliebter. Niemand sollte je wieder die Möglichkeit haben, sie so zu verletzen. Sie war nicht sicher, ob sie es überleben würde, wenn ihr noch einmal das Herz gebrochen wurde.
    Also duckte sich Cara, gerade als Jake ihr übers Haar streichen wollte, aus seiner Umarmung und trat zurück, aus seiner Reichweite.
    »Ich muss Barbara den Wein bringen«, sagte sie und bückte sich, um die auf dem Boden stehenden Flaschen aufzuheben. »Sie steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch.«
    Schnell schnappte sie sich vier Flaschen und eilte aus der Küche, bevor er noch etwas sagen konnte.

FÜNFTER TEIL
1972
    Happy End
    »Ob es ein Happy End gibt, hängt natürlich davon ab, wo man die Geschichte enden lässt.«
    ORSON WELLES, AMERIKANISCHER SCHAUSPIELER, REGISSEUR, PRODUZENT UND AUTOR, 1915–1985

Kapitel 49
    Stanhope Castle, Kalifornien
    In jenem Arbeitszimmer sitzend, von dem aus er einst sein Imperium geführt hatte, den Rollstuhl direkt vor dem riesigen Erkerfenster, blickte Maximilian Stanhope über das Anwesen hinweg, das er so liebte. Nach jahrelanger Vernachlässigung war es halb verfallen. Ohne gärtnerische Pflege waren die manikürten Rasenflächen unter der kalifornischen Sonne vergilbt, und in den Blumenbeeten wucherte das Unkraut. Von hier konnte er bis zum Pool hinabblicken. Das Becken hatte seit Jahren kein Wasser mehr gesehen, und die Mosaikfliesen waren gesprungen und mit Moos überzogen.
    Max wusste, dass niemand verstehen konnte, warum er trotz seines Reichtums so abgeschieden lebte. Er wusste auch, was man über ihn sagte: dass er ein Exzentriker sei, ein Eremit, ein Menschenfeind – sogar ein Mörder. Aber er hatte noch nie viel auf die Meinung seiner Mitmenschen gegeben, und seit er sich seiner eigenen Sterblichkeit so bewusst war, bedeutete sie ihm weniger denn je.
    Er wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Der Krebs war zurückgekehrt, und diesmal hatte er sich von der verbliebenen Lunge durch den ganzen Körper ausgebreitet. Er war erst sechzig, sah jedoch mindestens fünfzehn Jahre älter aus. Die Krankheit hatte ihn so geschwächt, dass er inzwischen im Rollstuhl sitzen musste. An dem Gefährt hing rechts ein Sauerstofftank, aus dem er sich mindestens drei- oder viermal täglich mit Atemluft versorgte. Bei seinem letzten Arzttermin hatte ihm der Arzt noch sechs Monate gegeben. Meist hatte Max das Gefühl, dass das sehr großzügig bemessen war. Aber wie viele Tage ihm auch vergönnt sein mochten, eines war klar: Ihm blieb nicht mehr viel Zeit, um sein Leben in Ordnung zu bringen. Sein Geständnis mochte zwar Schmerz bringen, doch sein Gewissen zwang ihn dazu.
    Er schob den Rollstuhl an den barocken Eichenschreibtisch, öffnete die oberste Schublade und zog das handgeschöpfte Büttenbriefpapier heraus. Dann begann er mit seinem Lieblingsstift, dem goldenen Mont-Blanc-Füller, jenen Brief zu schreiben, den er in Gedanken schon so oft verfasst hatte.

Kapitel 50
    Neil Simmons, der Herausgeber des Chronicle , legte den Artikel beiseite, den er gerade gelesen hatte. Er lehnte sich in seinen Ledersessel zurück und betrachtete seine Topreporterin mit ernster Miene. Durch die Glaswände und die geschlossene Tür seines Büros war der Lärm in der Redaktion nebenan kaum zu hören.
    »Die Rechtsabteilung wird einen Anfall bekommen.«
    Cara zuckte mit den Achseln. »Na und? Jedes einzelne Wort ist wahr.«
    Sie konnte sich ihr Selbstbewusstsein leisten. Sie wusste, dass der Artikel reines Dynamit war – er enthüllte eine romantische Verbindung zwischen einem Mitglied der königlichen Familie und einem Geschäftspartner der Krays, jenes berüchtigten Zwillingspaares, das ganz London terrorisierte. Seit Wochen kursierten entsprechende Gerüchte, und jeder Sensationsreporter in London hatte nach belastenden Hinweisen gefahndet. Aber nur Cara war es gelungen, beide beteiligten Parteien zu einem Interview zu überreden.
    Im Lauf der vergangenen zwei Jahre hatte sie sich mit mehreren gewagten Reportagen einen Namen gemacht. Inzwischen gehörte sie mit ihren fünfundzwanzig Jahren zu den bekanntesten Enthüllungsjournalisten in der Fleet Street. Zu wahrem Ruhm war sie mit ihrer Story über James Buchanan, einen englisch-irischen Diplomaten aus dem Oberhaus, gelangt. So wie Cara es dargestellt hatte, hatte ihr eine geheime Quelle von den perversen sexuellen Vorlieben des Lords berichtet, und sie hatte diese Informationen an die Behörden weitergegeben. Im Gegenzug wurde sie in den

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