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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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dachte an Olivias merkwürdiges Verhalten in letzter Zeit: ihren Rückzug von ihrer Familie, die Lustlosigkeit, die gefälschten Entschuldigungen für den Sportunterricht.
    Schlagartig passte alles zusammen.
    Franny schaute ihre Stieftochter scharf an. »Bist du schwanger?«
    »Nein!« Instinktiv legte das Mädchen die Hände auf den Bauch. »Wie kommst du denn auf so was?«
    Aber noch während sie alles abstritt, sah Franny die Angst in den Augen ihrer Stieftochter aufleuchten.
    »Ach, Livy«, hauchte sie.
    Und das, der leise geflüsterte Name, ließ das Mädchen endgültig einknicken. In diesem Moment verflüchtigte sich sein ganzer Trotz. Seine abweisende Miene fiel in sich zusammen. »Es tut mir so leid«, flüsterte es.
    Dann tat Olivia etwas, das Franny nie erwartet hätte. Sie rannte zu ihrer Stiefmutter, schlang die Arme um sie und begann zu weinen.
    »Keine Angst«, beruhigte Franny sie, so wie ihre Mutter sie einst beruhigt hatte. »Uns fällt schon was ein. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Olivia sah zu ihr auf, die Augen weit vor Angst. »Bitte – kannst du es Papa sagen?«
    Franny konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen. Aber sie wusste, dass sie ihr diese Bitte nicht abschlagen konnte. Das Mädchen sah so jung und verängstigt aus – eigentlich war es selbst noch ein Kind. Franny musste daran denken, wie sie selbst in Olivias Lage gewesen war, und wünschte, sie hätte ihrer Stieftochter ihre eigene Geschichte erzählen können. Stattdessen erklärte sie sich einverstanden, für sie zu sprechen.
    »Natürlich. Überlass deinen Vater nur mir.«
    »Wer war das?«
    Max’ Stimme war wie Stahl. Es war spät am Abend. Nachdem Franny ihre Stieftochter nachmittags ins Bett gelegt hatte, hatte sie im Büro ihres Mannes angerufen und verlangt, dass er augenblicklich nach Hause kam. Sobald er durch die Tür trat, hatte sie ihn in sein Arbeitszimmer geführt und ihm alles über Olivia erzählt. Bis jetzt hatte er nur gefragt, wer seine Tochter geschwängert hatte. Und genau auf diese Frage wusste Franny keine Antwort.
    »Ich weiß es wirklich nicht. Sie wollte es mir nicht verraten.«
    Obwohl sie Olivia wiederholt gefragt hatte, mit wem sie geschlafen hatte und wie oft, hatte sich ihre Stieftochter geweigert, ihr einen Namen zu nennen. Aber ihrem Bauch nach vermutete Franny, dass sie mindestens im fünften Monat schwanger war.
    Max stand auf. »Also, mir sollte sie das lieber verraten.«
    »Glaub mir, das wird sie nicht.« Franny mahnte ihn ganz ruhig. »Ich habe wirklich lange mit ihr gesprochen, und sie hat immer wieder betont, dass sie den Mann nicht in die Sache mit hineinziehen möchte.«
    Sie hätte gedacht, dass Max ihr widersprechen oder darauf bestehen würde, selbst mit seiner Tochter zu reden, aber offenbar spürte er, dass es ihr ernst war. Erst in diesem Augenblick ging ihm wohl wirklich auf, was passiert war, denn mit einem Schlag wurde sein Gesicht fahl, und er knickte ein. Er musste sich am Schreibtisch festhalten, um nicht umzukippen, und ließ sich zittrig in seinen Stuhl sinken. Den Kopf in den Händen vergraben schluchzte er auf.
    »O Gott.«
    Franny spürte, wie es ihr das Herz zusammenzog. Es war schrecklich, diesen Mann, den sie so liebte und der sonst so zuversichtlich und selbstsicher wirkte, gebrochen zu sehen.
    »Das ist nur meine Schuld«, weinte er. »Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte sie beschützen müssen.«
    Franny ertrug den Anblick nicht länger. Sie ging zu ihm, zog die Hände von seinem Gesicht und drückte ihn an ihre Brust, um ihn festzuhalten, bis die Tränen versiegten.
    »Was sollen wir nur tun?«, fragte er. »Was können wir überhaupt tun?«
    Es war eine rhetorische Frage, die klarstellen sollte, dass sie seiner Meinung nach gar nichts tun konnten. Doch Franny hatte bereits eine Antwort parat. Sie hatte sich den ganzen Nachmittag über Gedanken gemacht, und die Lösung lag, wenigstens für sie, auf der Hand.
    »Ich wüsste da etwas«, sagte sie leise.
    Er sah mit verweinten Augen hoffnungsvoll zu ihr auf. »Und was?«
    »Ich finde, wir sollten sie das Baby bekommen lassen.«
    »Und was dann? Es zur Adoption freigeben?«
    »Ja, gewissermaßen schon.« Sie sah, wie verwirrt sie Max anschaute, holte tief Luft und erklärte: »Ich finde, wir sollten Olivias Kind als unser eigenes erziehen.«

Kapitel 55
    Die Erkenntnis, dass nicht ihre Mutter, sondern Olivia damals ein Kind zur Welt gebracht hatte, ließ Cara die ganze Fahrt keine Ruhe. Denn das bedeutete,

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