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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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er unter Schock und hätte noch gar nicht begriffen, was ihm sein Freund eben mitgeteilt hatte. Nichts erinnerte noch an den weltgewandten Geschäftsmann, der er sonst war. Normalerweise konnte ihn nichts aus der Fassung bringen, nachdem er jedoch verfolgt hatte, was seine Tochter in dieser Nacht durchstehen musste, kam er sich kraftlos und überflüssig vor. »Wird sie sich wieder erholen?«
    »Physisch ja, da wird sie sich erholen. Aber psychisch …« Der Arzt schüttelte den Kopf. »Kein Mädchen in ihrem Alter sollte eine so traumatische Erfahrung machen müssen. Wie schwer sie das mitgenommen hat, wird sich wohl erst im Lauf der Zeit zeigen.«

Kapitel 57
    Cara fuhr so schnell wie möglich nach Stanhope Castle zurück. Seit sie Sophie gesehen und von ihrer Behinderung erfahren hatte, sah sie alles aus einem anderen Blickwinkel. Es war an der Zeit, etwas zu unternehmen, beschloss sie, während sie, das Steuer fest umklammernd, über die kurvige Küstenstraße raste. Es war Zeit, alles ans Tageslicht zu zerren.
    Es war Zeit, Max zur Rede zu stellen.
    Sie hatte seine Spielchen satt. Schließlich hatte er sie hierher eingeladen, schließlich hatte er ihr erklärt, er habe ihr etwas zu erzählen. Aber seit sie hier angekommen war, tat er alles, um ihr nicht zu begegnen. Ab sofort würde sie die Antworten auf ihre Fragen einfordern.
    Sie parkte den Wagen quer auf der Auffahrt, stürmte ins Haus und rief laut nach Max. So wütend war sie noch nie in ihrem Leben gewesen. Ihre Mutter und deren Mann waren sich wahrhaft ebenbürtig. Beide hatten keine Sekunde gezögert, die kleine Sophie ins Waisenhaus zu geben. Beide waren viel zu sehr mit sich beschäftigt gewesen, um etwas für das kleine Kind zu empfinden.
    Sie marschierte geradewegs in Max’ Arbeitszimmer. Obwohl sie drinnen Stimmen hörte, machte sie sich nicht die Mühe anzuklopfen. Sie stieß die Tür auf, und Max und Hilda sahen auf.
    »Verzeihung!« Hilda war schon aufgestanden.
    Cara würdigte die Haushälterin keines Blickes, sondern konzentrierte sich ausschließlich auf Max. »Wir müssen uns unterhalten.«
    Sie hatte Max kurz zu sehen bekommen, als sie zwei Tage zuvor mit Gabriel im Garten geredet hatte. Aber erst jetzt begegneten sie sich persönlich. Aus der Nähe war nicht zu übersehen, wie krank er war. Von dem kraftvollen Mann von früher war kaum noch etwas zu erkennen. Der Krebs hatte ihn verfallen lassen, und sie entdeckte Altersflecken auf seinen Händen, als er hinter dem Schreibtisch hervorrollte, um sie zur Rede zu stellen.
    »Sie haben meine Nachricht doch bekommen.« Seine Stimme war leise und kratzig. »Ich werde zu gegebener Zeit mit Ihnen sprechen.« Er holte angestrengt Luft, als koste ihn jedes Wort Mühe. »Was Sie auch beschäftigt, es kann warten.«
    »Nein, das kann es nicht.« Sie holte ebenfalls Luft und sagte dann: »Ich weiß Bescheid.«
    »Worüber?«
    »Über Sophie.«
    Damit hatte sie seine Aufmerksamkeit. Max sah kurz zu Hilda. »Ich glaube, es ist am besten, wenn ich allein mit Cara rede.«
    Die Haushälterin widersprach nicht. Sie eilte aus dem Raum und ließ Max mit Cara allein.
    »Wie haben Sie sie gefunden?«, wollte Max wissen.
    »Das ist hier kaum der Punkt, oder?«, fuhr Cara ihn an.
    »Was dann?«
    »Dass Sie jahrelang gelogen haben! Erst indem Sie behauptet haben, Ihr Kind sei gestorben. Ganz zu schweigen davon, dass es gar nicht Ihr Kind war.«
    Max stockte in der Bewegung. »Wie meinen Sie das?«
    »Ach, bitte. Ich weiß, dass es Olivias Kind war. Ich habe die Patientenunterlagen gesehen.«
    Er konnte nicht verhehlen, wie sehr ihn das erschreckte. »Wie können Sie es wagen, so im Leben meiner Familie herumzuwühlen?«
    »Auch das ist nicht wichtig.« Cara wollte sich auf keinen Fall vom Thema abbringen lassen. »Wichtig ist einzig und allein, dass Sie das arme Kind damals weggegeben haben. Was für Menschen waren Sie, ein solches Kind, Ihr eigen Fleisch und Blut, einfach abzuschieben, nur weil es nicht so geraten war, wie Sie es gern gehabt hätten? Wäre es so schlimm gewesen, Sophie hierzubehalten? Sie hätten die besten Krankenschwestern einstellen können, um sie zu versorgen. Sie hätten ihr ein Heim geben können. Stattdessen haben Sie das Mädchen Fremden überlassen, die es unter Umständen grausam misshandeln könnten.«
    »Wir haben sie nicht abgeschoben!«, gab Max zurück. »Die Nonnen haben ihr nur die beste Pflege angedeihen lassen.«
    »Vielleicht. Aber wussten Sie das wirklich? Oder haben Sie

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