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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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Gesicht mit nassen Haarsträhnen verklebt. Sie stöhnte nur noch leise, wenn eine weitere Wehe sie durchlief. Nichts deutete darauf hin, dass das Baby endlich kam.
    Franny ging nach draußen, um frische Luft zu schnappen. Aber dann merkte sie, dass sie nicht mehr ins Zimmer zurückkonnte. Max hatte sich, weil er das Stöhnen nicht länger anhören konnte, schon vor einer Stunde in sein Arbeitszimmer zurückgezogen.
    Schließlich wirkte sogar die sonst so ruhige Haushälterin nervös. »So lange darf es eigentlich nicht dauern.« Hilda war aus dem Zimmer gekommen und stand mit ernster Miene neben ihr. »Das Kind macht das nicht mehr lange mit. So schlimm habe ich es noch nie erlebt.« Sie verstummte kurz und sprach dann Frannys schlimmste Befürchtungen aus. »Ich habe Angst, dass wir beide verlieren könnten, wenn wir nicht bald etwas unternehmen.«
    Franny fällte eine Entscheidung. »Ich spreche mit Max.«
    Max rief seinen Freund Dr. Robertson an. Der Arzt war bei einer Abendveranstaltung gewesen und tauchte mit schwarzer Krawatte auf. Franny und Max erklärten ihm kurz, was vorgefallen war. Er sah sie beide mit unverhohlenem Abscheu an und kam dann sofort zur Sache. Die Vorhaltungen konnten warten.
    »Wo ist das Mädchen?«
    Max antwortete ihm. »In seinem Zimmer. Ich bringe Sie hin.«
    Er blieb draußen stehen, während Franny den Arzt ins Zimmer begleitete. Inzwischen wimmerte Olivia nur noch leise, wenn wieder eine Wehe kam. Es war nicht zu übersehen, dass sie nicht mehr lange durchhalten würde.
    Der Arzt untersuchte sie kurz und teilte dann seinen Befund mit.
    »Das Kind liegt in Steißlage. Das heißt, es kommt mit den Beinen voran zur Welt.« Er krempelte bereits die Ärmel hoch. »Für einen Kaiserschnitt ist es zu spät, aber ich werde sehen, was ich tun kann.«
    Franny und Hilda standen hinter ihm.
    »Können wir irgendwie helfen?«
    Der Arzt drehte sich zu den beiden Frauen um. Er nickte Hilda zu. »Sie können bleiben.« Dann sagte er zu Franny: »Sie sollten lieber draußen warten.«
    Franny und Max standen Hände haltend im Gang. Die Tür war nur angelehnt, sodass sie verfolgen konnten, was sich dahinter abspielte. Ein letztes Mal stöhnte Olivia tief auf, danach folgte eine lange Pause, und schließlich klatschte etwas auf Fleisch. Dr. Robertson murmelte leise vor sich hin – Franny konnte nicht genau heraushören, ob er Olivia Mut zusprach oder ob er betete –, aber was er auch getan hatte, es hatte offensichtlich funktioniert, denn plötzlich hörten sie ein Baby schreien.
    Die Tür ging auf, und Dr. Robertson trat heraus. Franny sah im Türspalt, wie Hilda das Baby an Olivias Brust legte, die erschöpft in den Laken lag. Sie merkte, wie ihr ein Stein vom Herzen fiel – Mutter und Kind waren wohlauf. Anschließend sah sie zu Max auf und begriff, dass er das Gleiche gesehen hatte wie sie. Sie lächelten sich kurz an. Dr. Robertson baute sich vor ihnen auf und erklärte ihnen, dass Olivia ein kleines Mädchen bekommen hatte. Max streckte seine Hand aus.
    »Danke für alles. Ich – ich kann noch gar nicht glauben, dass es beide überstanden haben.«
    Dr. Robertson übersah betont die ausgestreckte Hand. Er wirkte erschöpft. Seine Ärmel waren immer noch hochgekrempelt, und das weiße Frackhemd war blutverschmiert.
    »Ich will mich nur kurz sauber machen, dann können wir uns unterhalten«, sagte er nur.
    Franny hätte ihm gern tausend Fragen gestellt, wagte es aber nicht.
    Zwanzig Minuten später eröffnete ihnen Dr. Robertson in Max’ stillem Arbeitszimmer die ganze Wahrheit.
    »Olivias Baby musste zu lange ohne Sauerstoff auskommen.« Er gab sich keine Mühe, seine Verachtung zu verhehlen. Es war offensichtlich, wem er die Schuld an dem Unglück gab. Jede Freundschaft hatte Grenzen. Nicht alles ließ sich entschuldigen. »Ich befürchte, dass ihr Hirn schwer geschädigt wurde.«
    »O Gott, nein!« Die Worte platzten aus Franny heraus, bevor sie sichs versah. Sie schlug erschrocken die Hand vor den Mund.
    Der Arzt fuhr fort, als hätte sie nichts gesagt: »In diesem Stadium lässt sich kaum sagen, wie schlimm es sie getroffen hat. Aber ich könnte mir vorstellen, dass sie zeitlebens Pflege brauchen wird.«
    Es wurde still. Er hatte sich keine Mühe gegeben, die Nachricht besonders schonend zu überbringen, denn das hatten die beiden seiner Meinung nach nicht verdient. Franny schaute Max an. Er wich ihrem Blick aus.
    »Und Olivia?«, fragte er schließlich. Er sah abgezehrt aus, so als stände

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