Die vergessene Frau
Fältchen und kein Makel auf ihrer elfenbeinfarbenen Haut zu erkennen, und das volle rote Haar – das ihre Haushälterin vorhin penibel frisiert hatte – fiel ihr in weichen, üppigen Locken über die Schultern. Eingeschnürt in ihr mitternachtsblaues Cocktailkleid sah sie so sinnlich aus wie Lana Turner. Nachdem sie ihre Nase hatte operieren lassen, sich eine neue Frisur zu- und ihren alten Akzent abgelegt hatte, hatte sie fast nichts mehr mit dem Mädchen gemein, das sie früher gewesen war. Inzwischen machte sie sich keine Sorgen mehr, dass jemand aus ihrer Vergangenheit auftauchen und ihre Geheimnisse ausplaudern könnte. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass Frances Fitzgerald und Franny Healey ein und dieselbe Person waren.
Duke trat zur Seite, damit sie in die Bank rutschen konnte.
»Bestimmt würde jetzt jeder Mann im Raum mit mir tauschen wollen«, meinte er galant.
Franny lächelte. »Und ich bin sicher, dass jede Frau gern an meiner Stelle wäre«, gab sie zurück.
Sie setzten sich, und der Kellner brachte zwei Martinis.
»Ich hoffe, es stört dich nicht«, sagte Duke, »dass ich mir erlaubt habe, schon zu bestellen.«
»Fantastisch.« Franny hob ihr Glas. »Auf einen wunderschönen Abend!«
Duke lächelte höflich, als Franny lachend den Kopf zurückwarf. Er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um nicht auf die Uhr zu sehen. Inzwischen waren sie eine Stunde hier, und er überlegte schon, wann sie wieder aufbrechen könnten.
Nicht, dass er Franny nicht leiden konnte. Er konnte nicht abstreiten, dass sie wunderschön und amüsant war, aber offen gestanden war er einfach nicht interessiert. Er ging grundsätzlich nicht gern mit Schauspielerinnen aus – wenigstens nicht mit erfolgreichen Schauspielerinnen. Ihm war Franny bei ihrer ersten Begegnung im Ciro´s lieber gewesen, als sie gerade in Hollywood angekommen und noch frisch und naiv gewesen war. In jeder Beziehung gab es nur Platz für ein fragiles Ego, und er hatte festgestellt, dass er es vorzog, wenn er derjenige war, der vergöttert wurde.
Er sah an Franny vorbei und entdeckte das Zigarettenmädchen, dem er vorhin eine Packung Chesterfields abgekauft hatte. Auf den ersten Blick sah es ganz hübsch aus, aber von Nahem erkannte man, dass seine Augen zu eng standen und dass ein Höcker auf seinem Nasenrücken prangte. Er hätte jede Summe darauf verwettet, dass die Kleine ein gescheitertes Starlet war: süß, hingebungsvoll und dankbar für jede Aufmerksamkeit.
Das Mädchen spürte seinen Blick und sah auf. Es errötete adrett, als es begriff, dass er es ansah. Damit hatte Duke sich entschieden.
»Bitte entschuldige mich«, sagte er zu Franny und stand auf. »Ich bin gleich wieder da.«
Franny nippte an ihrem Martini und versuchte sich die Zeit bis zu Dukes Rückkehr damit zu vertreiben, den anderen Gästen zuzusehen. Sie schaute kurz auf die Uhr. Inzwischen war er seit zwanzig Minuten verschwunden. Wo in aller Welt steckte er?
Weil sie annahm, dass er an einem anderen Tisch aufgehalten worden war, drehte sich Franny in ihrer Bank zur Seite, um festzustellen, ob sie ihn irgendwo entdeckte. Aber als sie das Restaurant nach ihm absuchte, erkannte sie, dass er stattdessen an der langen Mahagonibar saß und auf die eher schlicht wirkende Zigarettenverkäuferin einredete. Erst nach einigen Sekunden begriff Franny, was passiert war – Duke hatte sie für ein Zigarettenmädchen sitzenlassen.
Ihre Wangen brannten vor Empörung. Ohne wirklich zu begreifen, was sie da tat, griff sie nach ihrem Martiniglas, marschierte quer durch das Restaurant an die Bar und kippte Duke ihren Drink ins Gesicht.
Am nächsten Morgen blickte Lloyd Cramer, der frisch ernannte Chef der Juniper Studios, entsetzt auf die neueste Ausgabe des Confidential . Auf der ersten Seite prangte ein Foto von Franny, die wütend in einem voll besetzten Restaurant auf einen perplexen Duke einschrie. Der Studiochef war fassungslos. Mit ihrem Wutausbruch hatte sie nicht nur die sorgfältig inszenierte Romanze zwischen den beiden Stars unterminiert, Lloyd konnte auch keinesfalls zulassen, dass sich seine »Leading Lady« so unladylike aufführte.
Er seufzte schwer und befahl dann seiner Sekretärin, Frances Fitzgerald anzurufen.
»Sagen Sie ihr, sie soll ihren Hintern hierherschaffen«, knurrte er. »Und zwar auf der Stelle.«
Ein paar Stunden darauf saß Franny zerknirscht in Lloyd Cramers Büro. Noch nie hatte Lloyd sie so heruntergeputzt, und ihr gefiel dieses
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