Die vergessene Frau
im Moment verwirrt und durcheinander, dennoch tat es ihr bestimmt gut zu wissen, dass sie trotz allem, was heute geschehen war, geliebt wurde. Aber was sollte das bringen? Bald würde Franny wieder abreisen. Sollte sie Cara wirklich ermutigen, ihre Mutter wieder in ihr Herz zu lassen, nur damit es ihr von Neuem gebrochen wurde?
»Wahrscheinlich ist es besser, wenn du sie schlafen lässt«, sagte sie schließlich.
Das schien Franny zu enttäuschen. »Natürlich«, sagte sie, nachdem sie entschieden hatte, in dieser Sache auf ihre Mutter zu hören. »Du hast wohl recht.«
Sie schenkte sich noch einen Drink ein und versuchte keine Gewissensbisse zu spüren, da Theresa ihre Tochter besser kannte als sie selbst.
Die folgenden Tage verliefen ähnlich wie der erste. Franny bemühte sich nach Kräften, doch als sich die Woche dem Ende näherte, war ihr Cara noch so fremd wie am ersten Tag. Ihr Zug ging zuerst, schon am Freitagabend. Am Morgen darauf würde sie nach L.A. zurückfliegen. Caras und Theresas Überfahrt war für den folgenden Tag gebucht, sodass sie eine Nacht allein im Hotel verbringen würden.
Sie brachten Franny zum Bahnhof. Der Abschied war eine armselige Veranstaltung. Es war schon dunkel, und der Bahnsteig war leer. Die wenigen anderen Passagiere saßen im Warteraum, dessen Holzwände notdürftig vor der nächtlichen Kälte schützten. Zusammengekauert standen Franny, Theresa und Cara auf dem menschenleeren Bahnsteig, mit in der Kälte dampfendem Atem, und warteten schweigend auf den Zug. Aus der Ferne kam die Lokomotive angeschnauft und puffte hitzig kleine weiße Wölkchen aus dem Schornstein.
Franny ging vor ihrer Tochter in die Hocke. »Du gehorchst deiner Großmutter, hörst du?«
Cara sah ihre Mutter ernst an. »Ganz bestimmt.«
Es war ein jämmerlicher Abschluss einer frustrierenden Woche. Franny konnte unmöglich abfahren, ohne ihrer Tochter ein letztes Versprechen zu geben und ihr zu zeigen, dass sie Cara liebte. »Ich komme dich ganz bestimmt holen«, verkündete sie ungestüm. »Ich werde mir etwas ausdenken, damit wir zusammen sein können. Schon bald. Ehrenwort.«
Cara sah sie leidenschaftslos an, und Franny begriff, dass sie ihr nicht glaubte. Insgeheim konnte sie das dem Mädchen nachfühlen.
Dann drehte sich Franny weg. Der Zug war gerade im Bahnhof zum Stehen gekommen; schon waren die Passagiere eingestiegen und schlugen die Holztüren hinter sich zu.
Es war, als würde Cara erst in diesem Augenblick begreifen, was ihr widerfuhr – dass sie wieder für lange Zeit von ihrer Mutter getrennt wurde. Plötzlich rannte sie zu Franny und klammerte sich an ihrem Rock fest. »Bitte, bitte fahr nicht weg. Bitte.«
Nun schluchzte sie laut. Der unerwartete Gefühlsausbruch, auf den Franny die ganze Woche gehofft hatte, brachte auch sie zum Weinen.
»Ach, mein Schatz.« Sie drückte Cara fest an ihre Brust. Dann löste sich Franny behutsam von ihrer Tochter. »Es tut mir so leid, aber ich muss jetzt los.«
Es war für Franny eine freudlose Rückfahrt. Nach dem Wiedersehen mit ihrer Tochter musste sie einigen unangenehmen Wahrheiten ins Auge sehen. Während der vergangenen zwei Jahre hatte sie alles in Caras Leben versäumt. Diese Zeit konnte sie nie mehr aufholen. Ihre Entscheidung, ihrem Traum von einem Leben als berühmter Filmstar nachzujagen, war zu Kosten der Beziehung zu ihrer Tochter gegangen. Es war eine ernüchternde Erkenntnis. Als Franny aus dem Fenster in die dunkle englische Landschaft sah, spürte sie, wie eine Träne über ihre Wange glitt.
Kapitel 18
Monatelang litt Franny unter der schmerzlichen Erinnerung an ihre Brightonreise. Dass sie es nicht geschafft hatte, ihre Tochter wieder für sich zu gewinnen, machte ihr Kummer. Und sie musste voller Gewissensbisse immer wieder an ihr – überstürzt auf jenem eisigen Bahnsteig in Brighton abgegebenes – Versprechen denken, dass sie sich bald wiedersehen würden. Nachdem sie eingesehen hatte, dass sie Cara auf keinen Fall nach L.A. nachholen konnte, hatte sie mit dem Gedanken gespielt, ihre Karriere zu opfern und nach Irland zurückzukehren, damit sie mit ihrer Tochter zusammenleben konnte.
Frannys Stimmung verdüsterte sich noch mehr, als sie nach ihrer Rückkehr in Hollywood feststellen musste, dass die Presse inzwischen gegen sie Position bezogen hatte. Ihre einstige Unterstützerin, Dolores Kent, stand jetzt an der Spitze ihrer Kritiker. Die Klatschkolumnistin hatte ihr die Trennung von Franny und Duke übelgenommen.
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