Die vergessene Frau
die sich Lloyd nicht gewöhnen konnte. Verglichen mit Maximilian Stanhope fühlte sich Lloyd, selbst ein durchaus mächtiger Mann, wie ein Amateur.
Wie immer lehnte Max den angebotenen Kaffee ab und verzichtete auf jeden Smalltalk – womit er deutlich machte, dass er einzig und allein hier war, um den Vertrag zu unterschreiben. Max hatte Lloyd erklärt, er sei nicht daran interessiert, sich in die künstlerische Arbeit des Studios einzumischen. Er würde nur dafür sorgen, dass seine Sparmaßnahmen umgesetzt wurden, was bedeutete, dass weniger Filme pro Jahr produziert würden und nicht mehr so viele Schauspieler unter Vertrag genommen werden sollten.
Sich nicht in die künstlerische Gestaltung einzumischen war Max’ einziges Zugeständnis, und auch das machte er nur, weil er das Alltagsgeschäft des Unternehmens lieber jemand anderem überlassen wollte. Lloyd war klar, dass er das Studio zu einem Spottpreis verkauft hatte, aber er hatte keine Wahl – außer einem Bankrott. Max hatte alle Trümpfe in seiner Hand, und das wussten beide Männer.
Lloyd unterschrieb als Erster. Als er fertig war, schob er Max die Papiere zu und hielt ihm seinen Füller hin.
»Den können Sie auch behalten«, scherzte er. »Sie haben mich sowieso bis aufs letzte Hemd ausgezogen.«
Max fixierte ihn mit einem kühlen Blick. »Wie bedauerlich, dass Sie das so empfinden.« Dann holte er, ohne den ausgestreckten Füllfederhalter zu beachten, seinen massivgoldenen Mont Blanc heraus – ein handgefertigtes Stück mit diamantbesetzter Feder – und unterzeichnete mit einem schnellen Federstrich.
Nachdem die Formalitäten geregelt waren, deutete Lloyd auf die Bar in seinem Büro. »Zur Feier des Tages kann ich Sie doch bestimmt zu einem kleinen Drink überreden?«
»Ich habe noch einen Termin«, lehnte Max ab.
Die Antwort führte Lloyd noch einmal vor Augen, dass dieser Vertrag für das Studio überlebenswichtig, für seinen Gegenüber jedoch nur ein Punkt unter vielen anderen war.
Nachdem alles erledigt war, stand Max auf. Gerade als Lloyd ihn zur Tür brachte, erschien Franny, die er zu einer Besprechung über ihre Probleme mit der Presse herbestellt hatte. In ihrem blau-weiß getüpfelten Kleid mit dem ausgestellten Faltenrock, ihren kleinen weißen Handschuhen und den roten Locken, die unter einem kecken Hut hervorwallten, sah sie aus wie das blühende Leben.
»Frances Fitzgerald!« Auch wenn Lloyds Begeisterung für seine Starschauspielerin in letzter Zeit deutlich abgekühlt war, freute er sich ungemein, sie zu sehen. Vielleicht konnte er den neuen Besitzer des Studios doch noch beeindrucken, wenn er ihm eine seiner schönsten Schauspielerinnen vorstellte. »Max hat eben unterschrieben, dass er uns kauft«, erklärte er ihr.
»Wirklich?« Sie zog die Brauen hoch. »Mir war gar nicht klar, dass ich zum Verkauf stehe.« Sie posierte kokett. »Und was meinen Sie, Mr Stanhope? Hat sich die Investition gelohnt?«
Lloyd riss die Augen auf. »Franny …«
Aber Max, der eben noch keinen Funken Humor gezeigt hatte, schien sich über ihren Kommentar zu amüsieren. »Ich wüsste nicht, was ich lieber in meinem Portfolio hätte.« Der Griff, mit dem er Frannys Hand packte, war kräftig und machtvoll, und das war auch das Wort, das ihn am treffendsten beschrieb, fand sie. »Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Miss Fitzgerald.«
Sie lächelte lieblich zu ihm auf. »Das Vergnügen ist ganz meinerseits, Mr Stanhope.«
Franny maß dem Wortwechsel keine größere Bedeutung bei. Doch dann saß sie am folgenden Abend mit Lily und dem Rest der Gang im Cocoanut Grove, dem eleganten Nachtclub des Ambassador Hotel, und bekam unversehens eine Flasche Krug Champagner an den Tisch gebracht.
Als Franny das unerwartete Geschenk sah, klatschte sie begeistert in die Hände. »Ach, wie nett! Und wer …?« Sie schaute den Ober im Frack mit hochgezogenen Brauen an.
»Mit freundlichen Grüßen von Mr Maximilian Stanhope.«
Franny brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, von wem er sprach: Maximilian Stanhope – das war der neue Besitzer der Juniper Studios.
Während der Kellner den Champagner entkorkte, stupste Lily sie an. »Sieht so aus, als hätte da jemand tiefen Eindruck auf unseren neuen Boss gemacht.«
Franny hatte ihrer Freundin alles von der Begegnung mit Max erzählt und klimperte theatralisch mit den Wimpern. »Mache ich nicht immer tiefen Eindruck?« Sie wandte sich an den Kellner. »Und wo sitzt Mr Stanhope?«
»Dort
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