Die vergessene Frau
Unternehmungen auftauen würde, aber irgendwie drang sie nicht zu Cara durch. Es war schrecklich frustrierend, und Franny hatte keine Ahnung, wie sie etwas daran ändern konnte.
Wortlos spazierten sie über den Vergnügungspark auf dem Pier. Das Schweigen kratzte an Frannys Nerven, und sie war regelrecht erleichtert, als sie einen Autoscooter entdeckte.
»Komm, wir fahren!«, rief sie, packte Cara an der Hand und zog sie hinter sich her.
»Ich habe Bauchweh«, klagte das kleine Mädchen.
Doch Franny war schon losgegangen, um die Fahrchips zu kaufen, und hörte sie nicht mehr.
Franny hätte es lustiger gefunden, wenn sie in verschiedenen Wagen gefahren wären, aber ihre Tochter schien nicht besonders erpicht darauf zu sein, darum setzten sie sich nebeneinander.
»Möchtest du lenken?«, bot Franny ihr an.
Cara schüttelte den Kopf.
Weil es mitten im Winter war, fuhr niemand außer ihnen. Franny versuchte Späße zu machen und stieß immer wieder gegen die Bande oder die geparkten Wagen, aber anders, als sie erhofft hatte, lächelte oder lachte das Mädchen kein einziges Mal.
Als sie endlich ausstiegen, musste Cara sich übergeben.
»Herrgott noch mal!«, fuhr Franny sie an. Etwas von dem Erbrochenen war auf ihrem Kleid gelandet.
Cara hörte, wie verärgert ihre Mutter klang, woraufhin sie zu weinen begann. Sofort bereute Franny ihren Ausbruch.
»Ach, Schätzchen. Ich habe es doch nicht so gemeint.« Sie ging in die Hocke, um ihre Tochter zu trösten und ihr zu zeigen, dass sie ihr nicht böse war, doch Cara wand sich aus ihren Armen.
»Ich will zu Granny!«, schluchzte sie.
Franny sah auf ihre Tochter hinab und merkte, wie sie traurig wurde. In der Trennungszeit hatte sich Cara von ihr entfremdet, und sie hatte keine Ahnung, wie – oder ob – sie die Kluft je wieder überbrücken konnte.
»Jetzt schlaf schön.«
Eine Stunde später hatte Theresa ihre Enkelin ins Bett gepackt. Franny hatte es ihr überlassen, Cara sauber zu machen, ihr ein frisches Nachthemd überzuziehen und eine Tasse Tee zu bringen, damit sich ihr Magen beruhigte. Cara schien es schon wieder besser zu gehen, ihre Wangen waren wieder rosa, aber sie wirkte immer noch unglücklich.
»Brauchst du sonst noch etwas?«, fragte Theresa.
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Dann schlaf jetzt.«
Die alte Frau wollte schon aufstehen, doch Cara hielt ihren Arm fest. »Warte!«, bat sie leise und drängend.
Theresa drehte sich um und sah, dass ihre Enkelin sie mit großen, ängstlichen Augen anschaute. »Was ist denn?« Als Cara nicht reden wollte, meinte sie ungeduldig: »Also? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Raus mit der Sprache, Mädchen.«
»Hasst mich meine Mam?«, fragte Cara verschüchtert.
Theresa wurde das Herz schwer. Sie hätte Franny umbringen können, weil sie das Kind so verunsichert hatte. Sie setzte sich wieder aufs Bett und sagte: »Natürlich hasst sie dich nicht. Wie kommst du nur auf eine so alberne Idee?«
»Weil ich ihr den Tag verdorben habe und sie so wütend geworden ist.«
Theresa verfluchte ihre Tochter im Stillen und schüttelte gleichzeitig den Kopf. »Sie war nicht wütend. Sie war nur aufgebracht, weil sie sich so um dich sorgt.« Sie zog ihrer Enkelin die Decke unters Kinn. »Und jetzt schlaf. Wenn du erst ausgeschlafen hast, geht es dir wieder besser, glaub mir.«
Beruhigt schloss Cara die Augen, und Theresa ging leise aus dem Zimmer. In dem gemeinsamen Wohnbereich stand Franny rauchend am Fenster. Selbst in diesem Moment wirkte sie mit ihren über die Schultern fallenden Locken elegant und mondän. Kein Wunder, dass Cara es schwierig fand, Vertrauen zu ihr zu fassen.
»Wie geht es ihr?«, fragte Franny.
»Besser. Ihr Magen hat sich wieder beruhigt.«
»Gut.« Franny wartete kurz ab und sagte dann: »Meinst du, ich sollte noch einmal nach ihr sehen? Oder soll ich sie lieber schlafen lassen?«
Theresa wusste beim besten Willen nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie musste daran denken, wie gut Franny und Cara sich verstanden hatten, als sie damals zu ihr nach Connemara gekommen waren, und sie sah die tiefe Kluft, die beide inzwischen trennte. Sie konnte beide verstehen – dass Franny nach besten Kräften versuchte, das Band zu ihrer Tochter neu zu knüpfen, aber dass es auch für eine Neunjährige nicht einfach war, neues Vertrauen zu der Mutter zu fassen, die sie im Stich gelassen hatte. Erst wollte sie Franny erklären, dass Cara lieber mit ihr reden als schlafen würde; die Kleine war
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