Die vergessene Frau
bekommen. Während er den Reißverschluss ihres Kleides nach unten zog und die Träger über ihre Schultern schob, zerrte sie, nicht weniger begierig als er, das weiße Hemd über seinen Kopf. Frannys letzter zusammenhängender Gedanke war, dass sie ihm noch nicht gleich von Cara erzählen würde. Sie würde den richtigen Zeitpunkt abwarten, um das Thema anzusprechen, aber erst musste die erste Aufregung um ihre Verlobung abflauen.
Lily war wenig begeistert, als sie von der Verlobung erfuhr. Franny hatte sie besucht, um ihr persönlich davon zu erzählen und um sie zu bitten, ihre Brautjungfer zu werden.
»Mann!«, sagte ihre Freundin und ließ sich auf ihre cremefarbene Couch fallen. »Damit habe ich wirklich nicht gerechnet!«
Franny fiel auf, dass sie ihr kein Glück wünschte.
»Du freust dich nicht für mich?«, fragte sie verletzt.
Lily seufzte. »Ach Quatsch, das ist es nicht. Es ist nur so …«
»Wie?«
»Ich bin nur traurig, meine beste Mitstreiterin zu verlieren, das ist alles.«
»Ach, Süße.« Franny lachte und schloss ihre Freundin in die Arme. »Sei doch nicht albern. Ich heirate zwar, aber das ändert doch nichts.«
»Wirklich?« Lily klang skeptisch. »Das könnte Max vielleicht anders sehen.«
»Max?« Franny schnaubte. »Max liebt mich so, wie ich bin. Er würde mich nie bitten, etwas für ihn aufzugeben.«
Lily sah ihre Freundin nur an. »Und da bist du dir sicher?«
Max’ Geschäftspartner waren nicht weniger überrascht über die Verlobung. Seit dem Tod seiner ersten Frau vor fünfzehn Jahren war Max mit Dutzenden von Frauen ausgegangen, aber nie hatte er auch nur einen Gedanken an eine Heirat verschwendet. Was unterschied Frances Fitzgerald von ihren Vorgängerinnen? Wenn sie sich Max mit einer Frau vorgestellt hatten, dann immer nur mit einer eleganten Dame der Gesellschaft, die aus gutem Hause stammte und von klein auf gelernt hatte, gesellschaftliche Anlässe zu organisieren und als Gastgeberin zu glänzen. Franny war eine lebenslustige Schauspielerin, die für ihr Leben gern im Scheinwerferlicht stand. Bestimmt würde sie sich nie damit zufriedengeben, einfach nur Mrs Stanhope zu sein, da waren sich alle sicher.
»Aber warum musst du sie gleich heiraten?«, fragte Frank Brewer III. Als Kopf einer Bostoner Bankiersdynastie war er Max finanziell ebenbürtig und brachte als Einziger den Mut auf, das delikate Thema anzusprechen.
»Weil ich sie liebe«, bekam er zur Antwort. »Ist das nicht der gängigste Heiratsgrund?«
Dem wagte niemand zu widersprechen.
Max konnte sich seine Gefühle für Franny selbst kaum erklären – er war einfach von ihr besessen, anders konnte er es nicht nennen. Er wusste, dass sie gern feierte und keinen besonders guten Ruf hatte. Trotzdem bekam er einfach nicht genug von ihr. Nach dem Tod seiner ersten Frau hatte er nicht geglaubt, dass er je wieder heiraten würde. Er hatte im Lauf der Jahre unzählige Frauen getroffen, die ihn liebend gern überredet hätten, sich wieder zu binden, hauptsächlich Filmstars und Damen der Gesellschaft, durchwegs attraktive, kluge Frauen. Doch Franny war anders. Dass sie schön war, war es nicht allein – obwohl das natürlich kein Schaden war, wie er zugeben musste –, aber vor allem faszinierte ihn ihr Temperament, ihr Lebenshunger. Er wollte sie an seiner Seite haben, und es war ihm völlig egal, was alle Welt dachte.
Die nahende Hochzeit brachte weitere Probleme mit sich – namentlich, dass Franny Max’ Kinder Gabriel und Olivia kennenlernen musste. Bis zu ihrer Verlobung hatten Franny und Max nur Augen füreinander gehabt und die Vergangenheit mehr oder weniger ausgeblendet. Aber jetzt mussten sie sich darum bemühen, sich in das Leben des anderen einzufügen.
Franny wusste kaum etwas über Max’ erste Frau Eleanor, die wunderschöne einzige Tochter eines wohlhabenden Finanzmoguls aus Boston. Max war siebenundzwanzig gewesen, als sich die beiden bei einem Galadinner kennengelernt hatten, und sechs Monate später hatten sie geheiratet. Ihr Sohn Gabriel war im Jahr darauf zur Welt gekommen, ihre Tochter Olivia zwei Jahre später. Damals hatten die Probleme eingesetzt. Eleanor hatte nach der Geburt ihres zweiten Kindes unter starken Depressionen gelitten und sich umgebracht, als Olivia drei Monate alt war.
In seiner Trauer hatte Max Olivia die Schuld am Tod seiner Frau gegeben. Weil er nicht mehr fähig war, seine kleine Tochter anzusehen oder gar in den Armen zu halten, hatte er dafür Sorge getragen,
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