Die vergessene Frau
zwischen den Seiten seines Tagebuches versteckt, ein Bild seiner Mutter auf. Olivia musste es verstecken, weil ihr Vater nach dem Tod ihrer Mutter alles, was an sie erinnerte, weggesperrt hatte. Immer wenn sie es betrachtete, verstand sie, warum er sie nicht sehen wollte: Sie war ihrer Mutter geradezu unheimlich ähnlich. Leider konnte sie daran nichts ändern. Wie bei fast allem in ihrem Leben hatte Olivia auch hierbei nichts zu bestimmen.
Franny musste nicht nur mit Max’ Kindern zurechtkommen, die sie so offen ablehnten, sondern sich auch um ihre eigene Tochter sorgen. Immer wieder nahm sie sich vor, ihrem Verlobten von Cara zu erzählen. Aber irgendwie wusste sie nie so recht, wie sie das Thema ansprechen sollte. Viele Male ging sie im Kopf durch, was sie sagen würde, doch nie klang es wirklich überzeugend. Wie musste es auf ihn wirken, dass sie ihr Kind so lang vor ihm geheim gehalten hatte? Irgendwie ließ sie das, ehrlich gesagt, kaltherzig erscheinen. Und wenn er sie nie wieder so ansehen würde wie jetzt? Wenn er daraufhin die ganze Hochzeit absagte?
Und dann kam Die schwarze Rose ins Kino, unter einem Hagel schlechter Kritiken und mit katastrophalen Zuschauerzahlen. Franny hatte gehofft, dass dieser Film ihren Durchbruch bringen würde, aber stattdessen wurde ihre Darstellung als »wenig überzeugend« gebrandmarkt.
Ein paar Wochen später rief Lloyd Franny in sein Büro, um ihr mitzuteilen, dass die Dreharbeiten für Elizabeth I. verschoben worden seien. Er versicherte ihr zwar, das habe nichts mit der Schwarzen Rose zu tun – »Wir haben immer noch volles Vertrauen in dich« –, doch Franny hatte das Gefühl, dass sie einen beruflichen Rückschlag erlitten hatte.
Angesichts dessen konnte die Hochzeit mit Max zu keinem besseren Zeitpunkt stattfinden. Die Zeitungen liebten die Story, Franny blieb damit in der Presse präsent, und sie hatte damit einen gesichtswahrenden Grund, in diesem Sommer keinen Film zu drehen: »Es klingt vielleicht altmodisch, aber ich nehme meine Verpflichtungen als Braut und Mutter sehr ernst«, erklärte sie einer begeisterten Dolores Kent. »Vorerst will ich mich darauf konzentrieren, für meinen Ehemann da zu sein. Deshalb muss die Karriere zurückstehen.«
In Anbetracht all dieser Geschehnisse hielt es Franny für das Beste, bis nach der Hochzeit zu warten, bevor sie Max die Wahrheit über ihre Vergangenheit und Cara eröffnete. Schließlich wollte sie nicht riskieren, dass ihre Hochzeit platzte.
Die Hochzeit fand am 3. Juni 1957 statt, keine vier Monate nach ihrem ersten Abend im Cocoanut Grove. Der Tag selbst verlief genau so, wie Franny ihn erträumt hatte – als Märchenhochzeit, die auffallend traditionell organisiert war. Der Gottesdienst wurde in der Good Shepherd Church in Beverly Hills abgehalten, und zwar als katholische Messe, nachdem die Braut eine gläubige Kirchgängerin war. Franny selbst war eine Braut wie aus dem Bilderbuch: Sie trug ein Cinderella-Kleid aus Rohseide, handbestickt mit Tausenden von Süßwasserperlen, und darüber einen bodenlangen Schleier. Vielleicht wirkte das Ensemble etwas keuscher, als es Franny lieb gewesen wäre, aber genau das erwarteten ihre Fans – von denen sich mehr als tausend vor der Kirche versammelt hatten, um den Frischvermählten Glück zu wünschen.
Acht Brautjungfern warteten ihr auf – alle blond und so gut gebaut, als kämen sie direkt aus dem Besetzungsbüro –, und alle trugen bodenlange Kleider in Altrosa. Frannys Teerosenbukett war im gleichen Farbton gehalten, ebenso die sechsstöckige Hochzeitstorte mit Erdbeerguss. Ein Empfang für sechshundert Gäste wurde im Bel Air Hotel gegeben, genau wie bei Elizabeth Taylor und Nicky Hilton sechs Jahre zuvor.
Die Feier endete um sechs Uhr abends, dann verabschiedete sich das Hochzeitspaar winkend von seinen Gästen. Vor ihrer Abfahrt in die Flitterwochen hatte Franny in ihr Ausgehkleid gewechselt – ein wunderschönes hellblaues Seidenkostüm. Weil Max so viel zu tun hatte, konnte er sich nur ein paar Tage freinehmen, darum hatte er vorgeschlagen, keine ausgedehnte Europareise zu machen, sondern ein paar Tage ganz allein auf seinem zweiten Wohnsitz Stanhope Castle zu verbringen.
Stanhope Castle lag im Herzen von Big Sur, einem wunderschönen, aber kaum besiedelten Abschnitt der kalifornischen Küste zwischen Los Angeles und San Francisco. Max hatte schon monatelang darauf gedrängt, es Franny zu zeigen, aber bisher waren beide zu beschäftigt gewesen. Die
Weitere Kostenlose Bücher