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Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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für eine Sekunde das absurde Gefühl, von seinem Freund im
Stich gelassen zu werden.
»Ist dein Vater schon da?« fragte er.
Paul nickte. »Schon seit einer
ganzen Weile. Er
spricht noch mit Mclntire.« Paul war kein besonders
guter Schüler. Er machte auch gar kein Hehl daraus,
daß er nicht viel von Schule und Lernen hielt, und
wahrscheinlich war der einzige Grund, aus dem er
noch immer hier war, der, daß sein Vater ein sehr
einflußreicher Mann war. Nebenbei auch
ziemlich
vermögend - aber das waren die Eltern der allermeisten Kinder hier.
Paul sah ihn noch einen Moment lang mitleidig an,
daß Mike schon wieder in Zorn geriet, dann zuckte er
mit den Schultern, drehte sich um und ging unter
dem Gewicht seines Koffers etwas schief zur Tür.
Dort wandte er sich noch einmal an Mike: »Willst du
nicht wenigstens mitkommen und hallo sagen? Mein
Vater würde sich bestimmt freuen.«
Mike wollte im ersten Moment ablehnen, weil er einen tiefen Groll auf die ganze Welt verspürte. Aber
dann begegnete er Pauls Blick, und was er darin las,
machte ihm klar, daß er seinen Freund damit verletzt
hätte.
Außerdem mochte er Hieronymus Winterfeld. Pauls
Vater war Kapitän der Kaiserlich Deutschen Kriegsmarine, der nicht das erste Mal einen Aufenthalt seines Schiffes vor der englischen Küste dazu nutzte,
einen Abstecher nach Andara-House zu machen und
seinen Sohn zu besuchen. Kapitän Winterfeld erfreute
sich nicht nur bei Mike, sondern auch bei allen anderen Schülern des Internats großer Beliebtheit. Zwar
entsprach er äußerlich durchaus dem Bild eines steifen deutschen Marineoffiziers: er war groß, von imposanter Statur, hielt sich stets gerade in seiner dunkelblauen Marineuniform, an deren Brust viele Medaillen und Ordensspangen befestigt waren, und hatte
einen stets forschen Gang. Ganz im Gegensatz zu diesem ehrfurchtgebietenden Äußeren jedoch stand sein
Verhalten. Er war nicht nur sehr freundlich, sondern
auch ein überaus lustiger und redseliger Mann, der
immer eine freundliche Bemerkung parat hatte und
kaum eine Gelegenheit ausließ, eine Anekdote aus seinem Leben zur See oder irgendein Abenteuer zu erzählen. Manchmal brachte er kleine Geschenke für
Pauls Zimmerkameraden mit, und im vergangenen
Jahr hatte er sogar auf eigene Kosten eine Barkasse
gechartert und Paul und eine Anzahl anderer Jungen
zu einer Rundfahrt im Hafen eingeladen.
»Wie ist es?« fragte Paul, als Mike noch immer zögerte. Mike gab sich einen Ruck und stand auf. »Warum
nicht?« fragte er.
»Vielleicht kann ich deinen
Vater
überreden, mich als blinden Passagier an Bord seines
Schiffes zu schmuggeln.«
    Auch in den Räumen des Direktors warfen die kommenden Ferien ihre Schatten voraus. Der Schreibtisch im Vorzimmer war verwaist und völlig aufgeräumt. Mclntires Sekretärin war eine überaus tüchtige Person, aber das genaue Gegenteil des Direktors.
Sie war lustig, immer zu einem Scherz aufgelegt, redete ununterbrochen und verbreitete Chaos, wo immer
sie auftauchte. Wie auf ein Stichwort hin erschien sie
in diesem Moment, bereits mit Mantel, dicken Winterstiefeln und einem jener breitkrempigen Hüte mit einem Gazeschleier, wie sie jetzt in Mode gekommen
waren. Als sie die beiden erblickte, lächelte sie.
»Ah, der junge Herr Winterfeld«, sagte sie
höflich.
»Du bist bestimmt gekommen, um Mäuschen zu spielen und zu hören, was der Herr Direktor mit deinem
Vater zu besprechen hat, wie?« Sie blinzelte Paul zu,
ging zum Schreibtisch und warf einen letzten Blick
auf die blankpolierte Platte, wie um sich zu überzeugen, daß ihr auch kein Stäubchen entgangen war, das
den Schreibtisch während ihrer Abwesenheit verunzieren mochte. »Aber daraus wird nichts.«
Paul und Mike tauschten einen verwirrten Blick. Sie
waren nicht hierhergekommen, um irgend etwas in
Erfahrung zu bringen. Außerdem war die gepolsterte
Tür zu Mclntires Allerheiligstem so dick, daß man dahinter schon eine Kanone hätte abschießen müssen,
um auf der anderen Seite einen Laut zu hören.
    In diesem Augenblick wurde diese Tür geöffnet, und
der Direktor von Andara-House trat heraus, dicht gefolgt von Kapitän Winterfeld. Die beiden waren in ein
Gespräch vertieft, und McIntire lachte sogar, als er
Pauls Vater die Tür aufhielt, und das war etwas, was
nun wirklich höchst selten vorkam; es war beinahe
Anlaß genug, auf dem Kalender in Mikes Zimmer das
heutige Datum mit einem zweiten roten Kringel zu
markieren.
Kapitän Winterfeld sah beeindruckend aus wie immer. Über seiner

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