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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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er den Hageren mit dem anderen Arm festhielt. Offenbar war ihm die Pfeilspitze ins Fleisch gedrungen. Jetzt würde das Gift sein Werk verrichten.
    Allerdings behielt der Blauäugige seine Geschwindigkeit bei und stieg weiter zum anderen Ufer hinauf. Sein Gleichgewichtssinn war durch das Gift sichtlich gestört, und Acllas Gefährtinnen senkten den Bogen.
    Möge Inti dich erlösen , sagte Aclla im Geiste, und die vier Frauen schlossen kurz die Augen, wodurch sie ihre mentale Einheit auflösten. Aclla war gelehrt worden, die geistige Verbindung immer möglichst kurz aufrechtzuerhalten, denn Kriegerinnen, die mental schwächer waren, konnten davon wahnsinnig werden. Das Gefühl von Verlust und Trauer, das mit der geistigen Trennung einherging, setzte sofort ein, und Aclla spannte ihren Körper an, um sich dagegen zu wappnen.
    »Du hast eine Schwäche für den Blauäugigen; das solltest du nicht«, sagte Ilna.
    »Er ist unser Feind, aber du findest ihn schön«, fügte Orelle hinzu.
    »Es war mein Pfeil, der ihn fällte«, erwiderte Aclla streng. »Keiner von euren. Ich habe mich von meinen Gefühlen nicht beeinflussen lassen, und sein Tod ist nun gewiss.«
    Inzwischen gelangte der Blauäugige auf die andere Seite der Schlucht und stieg ungeschickt auf den Felssims. Offensichtlich war ihm schwindelig. Er ging auf ein Knie nieder und riss sich den Pfeil aus dem Bein. So behutsam, wie es ihm möglich war, ließ er den Hageren von seinen Schultern auf den Boden sinken und drehte seinen Oberkörper, um die Wunde zu betrachten.
    »Er ist ein bemerkenswerter Mann«, sagte Sontane. »Wir sind heute alle Zeuge seiner unglaublichen Kraft geworden. Dergleichen haben wir zuvor noch nicht gesehen.«
    Orelle nickte. »Dass er noch immer atmet, ist ein weiterer Beweis seiner Kraft.«
    »Wir sollten seine Leiche zu Mamacona Hurin Pacha bringen«, sagte Ilna. »Damit sie sie untersuchen kann.«
    Beim Gedanken an den leblosen Körper des Blauäugigen spürte Aclla einen Stich des Bedauerns. Es war ihr Pfeil, der ihn getroffen hatte. Dann holte sie tief Luft und besann sich auf ihre Entschlossenheit. »Es war meine Pflicht, ihn zu töten! Kommt, wir müssen den Fluss überqueren. Bis wir drüben sind, wird er gewiss tot sein.«
    Es war beachtlich, wie lange der Blauäugige mit dem Gift im Leib weiterlebte. Aclla hängte sich den Bogen über die Schulter und betrat die Hängebrücke, die Augen auf die Fußspuren gerichtet, die der Fremde hinterlassen hatte. Seine Schrittlänge war erstaunlich. Sie schaute zum Felssims hinüber. Der Mann war jetzt auf beide Knie gesunken und hielt sich die Schläfen. Er schrie offenbar, aber durch das Rauschen des Wassers war nichts zu hören. Der Tod würde gleich eintreten, das war sicher.
    Beide Hände am Handlauf, konzentrierte sich Aclla auf ihre Schritte, um auf dem schlüpfrigen Untergrund nicht auszugleiten. Sie ließ sich weder von dem Tosen unter ihr noch von der heraufspritzenden Gischt ablenken.
    »Niemand wird heute ins Tal eindringen!«, rief Aclla gegen das Tosen an. »Nicht heute!« Sie hatte ihre Pflicht erfüllt. »Wir werden einmal mehr als Heldinnen im Dorf empfangen werden.«
    Die vier Kriegerinnen näherten sich der Brückenmitte. Gleich begann der schwierige Aufstieg zur anderen Seite. Mit jedem Schritt waren die beiden Fremden besser zu erkennen. Der Blauäugige lag jetzt auf dem Rücken. Der Hagere, den er getragen hatte, hatte sich noch immer nicht bewegt. Aclla blickte zu den Stromschnellen hinab, die nur zehn Meter unter ihr schäumten. Es war ein furchterregender Anblick, die Kräfte Pariacacas so machtvoll am Werk zu sehen. Er war der Herr der Stürme und der Flüsse; er war als Falke geboren worden und später zum Menschen geworden. Und hier sah sie seine Krallen aus dem strömenden Wasser tauchen, um zuzugreifen und jeden hinabzuziehen, der so töricht war, sich nah heranzuwagen.
    Aclla machte den ersten Aufwärtsschritt. Ihr Herz war schwer, wenn sie an den Tod des Blauäugigen dachte. Doch als sie hinaufspähte, sah sie ihn aufrecht dastehen. In der Hand hielt er ein Messer, mit dem er mühelos eine der Lianen, die als Geländer diente, durchschnitt, sodass sie Aclla aus der Hand schnellte. Die Kriegerinnen hatten Mühe, das Gleichgewicht zu halten, und griffen nach dem anderen Geländer.
    Es war keine Zeit zu fragen, wieso der Blauäugige noch lebte. Alle vier blieben stehen und überlegten, ob sie weiter- oder zurücklaufen sollten. Oder sollten sie auf ihn schießen? Die

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