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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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Wir müssen Erfahrungen teilen.« Er schwieg einen Moment. »Werden Sie oben im Hotel absteigen?«
    Zu lügen würde nichts einbringen, befand Helena. Jeder vom Zugpersonal würde ihrem Gesprächspartner sagen können, welches Arrangement sie getroffen hatte. »Ja, ich habe vor, dort oben zu wandern und mir die Ruinen anzusehen.«
    »Es gibt viele tückische Wege in der Gegend«, sagte Don Eravisto. »Manche führen an tausend Meter tiefen Schluchten entlang. Es ist eine Ehrfurcht einflößende Landschaft, und man muss ständig seine fünf Sinne beisammenhaben.« Er warf einen Blick auf Chad, die am Tisch gegenüber saß. »Aber mir scheint, Sie sind in guten Händen.«
    Don Eravisto drehte sich um und deutete auf einen der jüngeren Männer seiner Reisegesellschaft, einen gutaussehenden Gentleman im grauen Anzug und mit schwarzer Krawatte. »Das ist mein Sohn Daniel. Seine Mutter war Amerikanerin, meine zweite Frau.« Helena sah ihm an, dass er mächtig stolz war. »Wenn Sie irgendetwas brauchen, stehen wir beide zu Ihrer Verfügung, ganz gleich, was es ist.«
    Daniel fing Helenas Blick auf und nickte ihr zu, als hätte er jedes Wort gehört. Er sah aus wie Mitte dreißig und trug die glatten schwarzen Haare genauso mit Gel zurückgekämmt wie sein Vater. Seine Haut war heller, und seine nachdenklichen Augen lagen tief in den Höhlen. Er kratzte sich immer wieder an der Nase, was vermutlich am Kokain lag. Er saß zwischen zwei jungen Frauen von unverfälschter Schönheit. Vermutlich waren sie in irgendeinem Dorf im Umland aufgelesen worden; das schloss Helena jedenfalls aus ihren schüchternen Blicken und ihrem ungelenken Benehmen.
    »Ich werde es Sie wissen lassen«, sagte Helena. »Haben Sie hier schon einmal so schreckliches Wetter gehabt?«, fragte sie mit einer Geste zum Fenster.
    »Bisher war der Himmel selten so düster«, antwortete Don Eravisto. »Der Steinschlag auf der Strecke kam unerwartet, aber so etwas ist schon vorgekommen.« Er holte tief Luft. »Der Geruch des Waldes nach einem schweren Sommerregen ist berauschend, finden Sie nicht? Die Flüsse werden zu brüllenden Monstren, die sich aufbäumen, wenn man sich ihnen nähert. Sie sind so mächtig, dass man eine Gänsehaut bekommt. Das ist einer der Gründe, weshalb der Sommer meine bevorzugte Reisezeit ist, um in die Berge zu fahren. Und es sind dann nicht so viele Touristen dort.«
    Helena hatte genug von dem Smalltalk und wollte zum Thema zurückkehren. »Sie haben erwähnt, dass Bingham einmal in der Gleisbauhütte übernachtet hat.«
    »Das waren finstere Zeiten.« Don Eravisto schüttelte den Kopf. Unerwartet zeigte er auf Helenas Begleiter und sagte: »Ich kann nur unter vier Augen darüber sprechen. Ich hoffe, Sie verstehen das.«
    Helena verstand das nicht im Geringsten, bat aber Chad und Pablo höflich, in die nächste Sitznische zu wechseln. Pablo war von ihrem Gesprächspartner sichtlich eingeschüchtert, was das Unbehagen, das sich in ihrem Bauch bemerkbar machte, noch vergrößerte. Chad wurde ebenfalls nervös.
    »Das waren in der Tat finstere Zeiten«, sagte Don Eravisto noch einmal, nahm sich eine Hand voll Cashewkerne und schüttelte sie in der geschlossenen Faust, bevor er sie sich in den Mund warf. Er kaute noch, als er fortfuhr. »Es regnete genauso stark wie heute, als Bingham dort die Nacht verbrachte. Was für ein Zufall!«
    »War er allein unterwegs?«, fragte Helena.
    Don Eravisto schien nachzudenken. »Er hatte Gesellschaft, so viel ist sicher. Damals wagte sich keiner allein in diese Gegend, unkartiert und wild, wie sie war. Diese Berge wurden noch von alten Indianerstämmen gehalten, besonders im Westen Richtung Amazonas. Angeblich ermordeten sie Fremde und machten Schrumpfköpfe aus ihnen, die sie sich als Schmuck umhängten. Wie das Schicksal es wollte, schliefen Bingham und seine Begleitung in der Hütte, während ihre Esel losgebunden und weggeführt wurden.«
    »Von wem?«
    Don Eravisto wurde sehr ernst. »Das hier war einmal ein heiliges Tal, Señorita. Die Indianer, die es schützten, stahlen die Lasttiere und verstümmelten sie – ein grausamer Anblick war das.« Don Eravisto warf sich eine weitere Hand voll Cashewkerne in den Mund. »Ich habe mir sagen lassen, dass es das Grausamste war, was Bingham je erlebt hat.«
    »Wie entsetzlich!« Helena schüttelte den Kopf.
    Don Eravisto deutete auf ihr iPad. »Das werden Sie in Ihrem Buch nicht zu lesen bekommen! Bingham wollte niemanden beleidigen, als er seinen

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