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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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Zeit zu verlieren«, sagte Wilson, wandte sich ab und lief in den Nebelwald des Urubamba.

22.
    C USCO , P ERU K LOSTER
O RTSZEIT : 0.10 U HR 19. J ANUAR 1908
    »Deine Männer haben erneut versagt«, sagte die tiefe Stimme.
    Bischof Francisco warf sich auf den kalten Steinboden, während ein trockener Husten seinen blassen Körper schüttelte. Fast verschluckte er seine Zunge vor Schreck.
    Diese Stimme hatte er nicht mehr gehört, seit die letzte große Kerze abgebrannt und verloschen war. Danach hatte er einige Stunden im Dunkeln gesessen, bevor er eine neue anzündete, und auch die war inzwischen halb heruntergebrannt. Er schaute zu dem lebensgroßen Ölbild von Papst Innozenz XII. hinauf, der vor zweihundert Jahren bei seinem Besuch in Cusco in diesem Zimmer übernachtet hatte.
    Schweißgebadet kniete Bischof Francisco in seinem luxuriösen Zimmer und begann zu beten. »Errette mich, Herr Jesus, Beschützer der Geknechteten!«
    Hilflos hob er den Blick zur Decke, dann zu dem kunstvollen Kreuz an der Wand. Der Anblick des Gekreuzigten gab ihm zwar Kraft, erinnerte ihn aber auch an die schrecklichen Sünden, die er kürzlich begangen hatte. Erschrocken bemerkte er, dass er den Rosenkranz nicht in den Fingern hielt, langte zum Bett und klaubte ihn von der Seidendecke. Während er die Smaragdkugeln durch die Finger gleiten ließ, nahm er das Gebet wieder auf. »Maria voll der Gnade ...«
    »Die Jungfrau Maria wird dich auch nicht retten«, sagte die Stimme.
    Bischof Francisco fing an zu weinen. Die Tränen liefen ihm über die blassen Wangen wie schon so oft in den vergangenen drei Tagen. »Bitte, Herr, du musst mich aus dieser Hölle entlassen! Ich kann nicht tun, was du verlangst.«
    »Du wirst nur frei sein, wenn du tust, was ich sage.«
    Dem Bischof wurde schlecht, wenn er daran dachte, was er schon getan hatte. Er wollte sich übergeben, doch sein Magen war leer. »Du hast versprochen, dass der Schmerz aufhört, aber das hat er nicht getan – er wird nur schlimmer. Mir ist so heiß, als würde meine Haut brennen, aber ich kann nicht trinken, um meinen Durst zu stillen.«
    »Weil du mir trotzt, mein Kind. Ergib dich, und der Schmerz wird dich loslassen. Ergib dich mir.«
    »Das hast du schon einmal gesagt«, wimmerte der Bischof. »Und der Schmerz ist schlimmer als zuvor.« Er ließ den Rosenkranz zwischen die Knie fallen und drückte die Stirn an den Steinboden. »Lass mich sterben, Herr! Entlasse mich aus dieser Knechtschaft. Meine Sünden haben mich aufgezehrt. Bitte, lass mich mein Leben beenden.«
    »Du kannst nicht sterben, während ich über dich wache«, sagte die Stimme. »Du bist mein Diener, und ich wünsche es nicht.«
    Mehr als einmal war der Bischof die Wendeltreppe zum Dach der Kathedrale hinaufgestiegen, um von der Mauer zu springen und sich selbst aus diesem Fegefeuer zu erlösen. Doch sobald er sich der Kante näherte, ergriff der Teufel Pizarro von ihm Besitz, und der Bischof stieg gegen seinen Willen wieder hinab. Ein andermal wollte er sich die Kehle durchschneiden, mit einem silbernen Dolch, der auf dem Altar des heiligen Antonius von Padua lag. Doch sosehr er es versucht hatte, er war nicht fähig gewesen, die eigene Haut zu ritzen. Die Stimme hatte ihn ermahnt, keine weiteren Selbstmordversuche zu unternehmen, sonst würden weitere Mitglieder der Gemeinde von seiner Hand auf höchst grausame Weise sterben – und zwar die, die er am meisten schätzte, die er für die reinsten hielt.
    Bischof Francisco weinte weiter, doch seine Augen blieben trocken. Seit Tagen schon konnte er nichts, was er trank oder aß, im Magen behalten. Er gab alles sofort wieder von sich, so groß war sein Selbstekel. Die Stimme schien zwar keine uneingeschränkte Kontrolle über sein Bewusstsein zu haben, aber sie trieb ihn mit beträchtlicher Macht in den Wahnsinn.
    »Bitte, lass mich sterben, Herr.«
    »Es gibt weitere Aufgaben, die du erfüllen musst.«
    »Ich kann es nicht tun«, wimmerte der Bischof. »Nicht noch einmal.«
    »Möchtest du deine Gemeinde nicht beschützen?«
    »Doch, und das weißt du.«
    »Wenn du dich mir nicht ergibst, werde ich einen anderen Leib in Besitz nehmen, und mein Zorn wird noch größer sein. Dein Handeln rettet die Unschuldigen. Begreifst du das nicht?«
    Bischof Francisco hörte die Freude heraus, wenn Pizarro davon sprach, sich das Leben anderer zu eigen zu machen. Er war unvorstellbar böse. Der Geist des großen Konquistadoren war voller Hass auf sein Schicksal und seine

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