Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)
hätten ein paar Fragen«, umging Hackenholt die Antwort erst einmal. »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Gestern Abend. Wir waren wie jeden Freitag beim Stammtisch im Fürther Stadtpark.«
»Können Sie mir sagen, wie lange Herr Siebert geblieben ist?«
»Tut mir leid. Ich war gestern nicht so lange dort. Wir hatten letzte Woche so viel Stress wegen dem Einbruch in unserem Zoogeschäft, dass meine Frau sowieso schon verärgert war, weil ich überhaupt gegangen bin. Deshalb bin ich um halb zwölf nach Hause gefahren. Völlig umsonst, denn sie hat schon geschlafen«, fügte Degel resigniert hinzu.
»Als Sie gegangen sind, war Herr Siebert aber noch da?«
»Ja, natürlich. Peter ist immer einer der letzten, die gehen. Aber warum interessiert Sie das alles?«
Hackenholt blieb nichts anderes übrig, als ihm vom Tod seines Freundes zu berichten. Günther Degel musste sich am Tisch festhalten – die Nachricht traf ihn völlig unerwartet.
»Es tut mir sehr leid«, murmelte der Hauptkommissar und gab dem Mann Zeit, sich wieder zu sammeln. Dann bat er um weitere Informationen. »Können Sie uns etwas mehr über den Stammtisch sagen?«
»Was ...«, krächzte Degel und musste sich räuspern, »was wollen Sie denn wissen?«
»Was ist das für ein Stammtisch, und wo genau findet er statt?«
»Den Stammtisch gibt es in der Form schon seit vielen Jahren. Wir treffen uns immer Freitagabends. Im Sommer gehen wir in das Café im Fürther Stadtpark, das ist so eine Art Biergarten, und im Winter in eine Kneipe in der Gustavstraße.
Zum Stammtisch gehören ganz verschiedene Leute. Die meisten von uns kennen sich schon seit unserer Zeit an der Uni – auch wenn wir alle etwas anderes studiert haben. Mein Bruder Jürgen Jura, ich Philosophie und Peter Informatik. Jürgen kannte Peter schon lange vor mir und hat ihn vor vielen Jahren mit zum Stammtisch gebracht.
Ich habe mich von Anfang an sehr gut mit ihm verstanden. Er war so locker und unkompliziert, hat das gemacht, worauf er Lust hatte, und hielt sich nicht an irgendwelche Konventionen. Als Jürgen nach Brandenburg ging, weil er dort einen Job bekommen hat, haben Peter und ich öfters etwas allein unternommen.«
»Wer war gestern Abend denn sonst noch alles bei dem Stammtisch anwesend?«, wollte Hackenholt wissen.
Degel zählte ein paar Namen auf, die Berger notierte.
»Normalerweise sind wir mehr, aber gestern war in Fürth ein Kneipenbummel, und da kamen ein paar Leute nicht. Insgesamt sind wir über zwanzig Personen, aber es können nie alle, meistens sind wir so zehn bis zwölf Mann.«
»Gibt es keine Frauen bei Ihrem Stammtisch?«, fragte Hackenholt erstaunt.
»Nein«, wehrte Degel ab, »das ist reine Männersache.«
»Sie haben vorhin gesagt, dass Sie gestern früher gehen mussten. Wie lange dauern denn die Treffen?«
»Normalerweise reden wir immer, bis der Biergarten schließt, und das ist um halb eins. Im Sommer sitzen wir oftmals noch viel länger dort, aber jetzt im Herbst gehen wir recht pünktlich, weil es ziemlich kalt wird, wenn die Heizstrahler ausgeschaltet werden.«
Das war also das Geheimnis des herbstlichen Biergartens. Hackenholt hatte sich schon gewundert, wie man es bei den niedrigen Temperaturen draußen noch so lang aushalten konnte.
»Wer war denn gestern länger da als Sie?«
»Fragen Sie Wolfgang Gruber, der bleibt normalerweise bis zum Schluss.«
»Wissen Sie, wie es bei Herrn Siebert mit Frauen aussah? Hatte er eine Partnerin, oder gab es sonst jemanden?«
»Das weiß ich nicht, ich kannte nur Monika Damps, aber von der hat er sich getrennt.«
Hackenholt fand es merkwürdig, dass ein Mann, der angeblich so gut mit Siebert befreundet gewesen war, nichts über dessen Frauengeschichten wusste. Er wechselte jedoch das Thema, ohne genauer nachzufragen. »Hatte Herr Siebert Feinde? Können Sie sich jemanden denken?«
»Peter war so ein feiner Kerl, der konnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Wie soll so jemand Feinde haben? Ich meine, klar, die bei ihm im Haus, die haben alle rumgesponnen und ihm ständig irgendwelchen Bürokratenkram aufgehalst, aber Peter hat das immer ganz locker genommen, auch wenn ihn das furchtbar genervt hat.«
Hackenholt nahm das zur Kenntnis. Sicher würden seine Kollegen ihm später auf dem Präsidium mehr über Sieberts Stellung in der Hausgemeinschaft erzählen können. »Sie sagten, dass Ihr Bruder nach Brandenburg gegangen ist. Hatte er denn noch Kontakt zu Herrn Siebert?«
»Ja, natürlich. Die
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