Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)
fahren.
Danach widmete er sich der Durchsicht der bisherigen Ermittlungsakten. Auf seinem Schreibblock notierte er, dass er das Nachlassgericht anrufen musste, um bei der Hinterlegungsstelle nachzufragen, ob sie ein Testament von Peter Siebert in Verwahrung genommen hatten.
Um halb fünf kehrten Stellfeldt und Berger von ihrer Befragung zurück. Sie hatten übergründlich gearbeitet und nicht nur die unmittelbaren Nachbarn über, unter und neben den Eheleuten Runge/Siebert befragt, sondern mit allen Bewohnern der Anlage gesprochen und darüberhinaus über den Hausmeister ausfindig gemacht, welcher Stellplatz dem Ehepaar gehörte. Sodann hatten die beiden Beamten sämtliche Tiefgaragennutzer befragt, ob sie am fraglichen Abend bemerkt hätten, dass Runges Auto nicht auf seinem Parkplatz gestanden hatte.
Leider hatte keiner der Anwohner von dem Wagen Notiz genommen. Was die Wohnungsnachbarn jedoch gehört hatten, war ein lautstarker Streit zwischen Herrn Runge und Frau Siebert, der allerdings gegen Mitternacht zu Ende war. Zu dem Zeitpunkt fühlte sich nämlich der Nachbar unter ihnen belästigt und hämmerte unwirsch an die Wohnungstür des Ehepaares, um ebenfalls lautstark seine Ruhe zu fordern. Daraufhin war es schlagartig still geworden. Niemand hatte bemerkt, ob das Ehepaar die Wohnung verlassen oder nur seinen Streit beigelegt hatte.
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»Peter Siebert hat seine Wohnung vor fünfzehn Jahren gekauft. Der Kredit dafür läuft also noch. Bei seinen Kontobewegungen gibt es keine Auffälligkeiten – keine größeren Einnahmen und auch keine größeren Ausgaben. Es macht alles einen recht ausgewogenen Eindruck«, fasste Hackenholt am darauffolgenden Tag in der Morgenbesprechung zusammen, was bei der Überprüfung von Sieberts Konten herausgekommen war.
»Tja, dann dürfte dich das, was ich im Schließfach gefunden habe, ziemlich überraschen« meldete sich Wünnenberg zu Wort und schaute triumphierend in die Runde. »Es gab zwar einiges Hin und Her, bis der Hausmeister der Bank das Schließfach aufgebrochen hat, weil ich nicht im Besitz des zweiten Schlüssels war, aber als er es endlich offen hatte, lagen fünfzigtausend Euro Bargeld in dem kleinen Kästchen. Lauter große Scheine.«
»Sieh mal einer an!«, entfuhr es Stellfeldt, der einmal mehr seine Glatze massierte.
»Den Büchern der Bank war zu entnehmen, dass Siebert nur ein einziges Mal zu seinem Schließfach gegangen ist, und zwar an dem Tag, als er es angemietet hat.«
»Und was ist mit Sieberts Lebensversicherung?«, fragte Stellfeldt, nachdem sie eine Weile spekuliert hatten an Hackenholt gewandt.
»Sie beläuft sich auf knapp einhundertfünfzigtausend Euro. Das Geld geht an Jana Sattler – zumindest der Versicherung gegenüber wurde das Bezugsrecht nicht widerrufen. Und nachdem uns bislang niemand einen Hinweis geben konnte, ob Siebert ein Testament gemacht hat, geschweige denn, wo er es aufbewahrt haben könnte, ist es inzwischen ziemlich unwahrscheinlich, dass noch eines auftaucht. Ich habe übrigens auch beim Nachlassgericht angefragt.«
»Als Motiv scheidet es also aus«, schlussfolgerte Stellfeldt. »Damit könnte höchstens Frau Sattler gewusst haben, dass sie etwas erbt.«
»Da sie sich schon vor Jahren von Siebert getrennt hat, scheint mir das als Motiv aber ziemlich weit hergeholt.«
»Ich habe über die Meldeamtsdaten herausgefunden, dass Jana Sattler inzwischen Brunner heißt und in München lebt«, warf Berger ein. »Sie ist vor zehn Jahren aus Nürnberg weggezogen und hat noch im selben Jahr geheiratet.«
Es klopfte und eine der Schreibkräfte steckte den Kopf zu Tür herein. »Das Fax ist gerade gekommen.« Sie reichte Hackenholt ein zweiseitiges Schreiben.
Der Hauptkommissar nickte ihr dankend zu und überflog es. »Es ist von der Galerie, bei der wir gestern nachgefragt haben, was es Wissenswertes über Carina Jakobi gibt«, sagte er nach einem Augenblick der Stille in die Runde. »Hört mal zu: Carina Jakobi gehört zu den wenigen Nürnberger Künstlerinnen, die es geschafft haben, sich mit ihrer Kunst nicht nur deutschlandweit, sondern auch international einen Namen zu machen. Ihre Bilder sind um die ganze Welt gereist. Sie hat an vielen namhaften Ausstellungen teilgenommen und einige bedeutende Preise gewonnen.
Einige ihrer Werke haben Spitzenpreise erzielt. Üblicherweise wird man mit zehn- bis zwanzigtausend Euro pro Gemälde rechnen müssen, wobei auf dem freien Markt derzeit nur wenige ihrer Kunstwerke angeboten
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