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Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)

Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)

Titel: Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Mohr
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ist es plötzlich da, und ich muss alles stehen und liegen lassen und die Vision skizzieren. Wenn ich das nicht sofort mache, dann kommt es vor, dass die Idee wieder weg ist.«
    Hackenholt nickte unsicher.
    »Wissen Sie, manche meiner Kunstwerke haben für mich eine ganz bestimmte Bedeutung. Viele Leute können es gar nicht verstehen, aber manche Gemälde verkörpern mein Innerstes.«
    Hackenholt fiel es wirklich schwer, dies in den Bildern wieder zu erkennen – er konnte moderner Kunst nun mal nichts abgewinnen. Daher lenkte er das Gespräch auf die Ausstellungsstücke im Hausflur. »Meinen Kollegen haben Sie erzählt, dass die Bilder im Treppenhaus alle von Ihnen sind.«
    Jakobi nickte. »Ja, das ist richtig. Die Gemälde zeigen meine künstlerische Entwicklung: Sie reichen von meinen Anfängen bis zu meinem heutigen Stil. Ich habe diejenigen ausgewählt, die eine kleine Geschichte erzählen. Jedes Stockwerk hat ein eigenes Thema, aber das fällt wohl nur den wenigsten Menschen auf. Das war Sophies Idee. Aber meine unverkäuflichen Werke, von denen ich mich niemals trennen könnte, hängen natürlich alle hier in meiner Wohnung.«
    »Sie haben erzählt, dass ein Bild durch Herrn Siebert oder dessen Freunde ruiniert wurde.«
    »Ja«, seufzte Frau Jakobi.
    »Was genau ist damit passiert?«
    »Das weiß ich nicht, ich war schließlich nicht mit dabei, aber es hat gestunken, und die Leinwand war fleckig. So, als ob jemand darauf uriniert hätte, wenn nicht sogar noch schlimmer. Es war ruiniert, ich konnte es nicht mehr retten.«
    »Besitzen Sie das Bild noch? Ich würde es mir gerne ansehen«, brachte Hackenholt sein Anliegen vor.
    »Tut mir leid. Ich war so schockiert darüber, dass ich es verbrannt habe. Das erschien mir am würdigsten. Ich hätte es nicht einfach in den Müll geben können. Ich kann Ihnen aber ein Foto von dem Gemälde zeigen. Als es noch intakt war, meine ich.« Carina Jakobi stand auf und ging zu einer Vitrine, die mit Kunstbänden vollgestopft war. Sie musste eine Weile suchen, bevor sie mit einem großen Umschlag zurückkam und ihm zwei Pappdeckel entnahm. Dazwischen befanden sich einige großformatige Fotos. »Hier, das ist es.« Sie legte zwei Abzüge auf die Tischplatte. Hackenholt beugte sich darüber und studierte sie eingehend. Es war die Ansicht einer Brücke über einem Fluss. Das leitete Hackenholt zumindest aus dem Titel ab, der am unteren Ende der Fotografie stand. Wenn man das Kunstwerk ganz genau betrachtete, konnte man auch einiges erahnen, was eine Brücke und einen Fluss darstellen konnte, aber die Formen verschmolzen mit den Rechtecken und Quadraten des Hintergrunds, und die kräftigen Farben ließen ihm die Augen schon nach kurzer Zeit übergehen.
    »War das Gemälde versichert?«
    Jakobis Augen verengten sich. »Alle meine Bilder sind versichert«, schnappte sie, »aber Ihre Frage zeigt nur, dass Sie nichts verstanden haben. Es geht hier nicht um Geld. Es geht um Kunst. Die Komposition ist für mich unwiederbringlich verloren. Da nutzt mir auch das Geld nichts.«
    Der Verlust des Bildes machte sie immer noch wütend, Hackenholt war von ihrem impulsiven Ausbruch überrascht.
    Mit ruhigerer Stimme fuhr Carina Jakobi fort: »Ich versichere meine Ausstellungsstücke immer zu einem Pauschalpreis von fünftausend Euro. Aber ich habe den Verlust des Bildes nicht der Versicherung gemeldet. Es wäre mir unerträglich gewesen, das Werk in dem Zustand anderen Leuten zu zeigen. Ich habe die Versicherung einfach erlöschen lassen.«
     
    Die beiden Beamten nahmen die Treppen und nicht den Aufzug, als sie zu Familie Schwartz hinuntergingen, weil sie sich die anderen Bilder genauer anschauen wollten.
    »Es ist schon verwunderlich, dass sie ihre Kunstwerke im Treppenhaus aushängt, auch wenn sie nicht so wertvoll sind«, meinte Berger nach einer Weile. »Hier könnte doch jeder vorbeikommen, sich eins aussuchen, abhängen und mitnehmen.«
    »Ja, das ist richtig, aber vielleicht hat sie damit noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Verstehen kann ich es allerdings auch nicht.«
    Dass bei Schwartz’ jemand zu Hause war, konnte man unschwer feststellen, da durch die geschlossene Tür zwei streitende männliche Stimmen über dem Dröhnen eines Staubsaugers zu hören waren. Die Türglocke ging in dem Geräuschpegel völlig unter. Erst als der Staubsauger verstummte und Hackenholt erneut klingelte, öffnete eine Frau in Hackenholts Alter das kleine, in die Tür eingelassene vergitterte

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