Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
Kampowski aufsucht, aber noch nicht sofort. Als er auf den Bahnhof zufährt, biegt er links ab, anstatt geradeaus weiter in Richtung Autobahn zu fahren.
Den Wagen, der ihn bereits seit einiger Zeit verfolgt, nimmt er nicht wahr.
27.
»Ich hab versucht, dich anzurufen«, sagt Eva und öffnet die Tür.
Kimski tritt in die Wohnung.
»Ich glaube, ich habe etwas herausgefunden. Wie es aussieht, ist dieser Kampowski gar nicht derjenige, für den er sich ausgibt, sondern ...«
»... SS-Untergruppenführer Friedrich Schulze«, führt Kimski ihren Satz zu Ende und drückt ihr die Akte in die Hand.
Sie sieht ihn verdutzt an, dann öffnet sie den Umschlag und wirft selbst einen Blick auf die Unterlagen.
»Der Alte hat alles zugegeben. Aber wie bist du darauf gekommen?«
»Das war relativ einfach. Die Villa gehörte seit den Dreißigerjahren einer Familie Schulze, derselben Familie Schulze, deren Sohn Friedrich nach dem Zweiten Weltkrieg verschwunden ist. Ich fand den Gedanken, Kampowski sei ein ehemaliger Widerstandskämpfer, der in der Villa eines ehemaligen Widersachers wohnt, unvorstellbar. Das wäre schon ein ziemlich großer Zufall gewesen.«
»Ja.«
»Das Einzige, was ich noch nicht herausgefunden habe, ist, wie Kampowski die Villa unter seinem neuen Namen erworben hat und seit wann er wieder in Heidelberg wohnt.«
»Er hat das Haus seiner Schwester in den Achtzigerjahren abgekauft. Davor lebte er in Spanien.«
»Spanien! Das macht Sinn, denn nach dem Krieg haben sich viele Naziverbrecher über Spanien nach Südamerika abgesetzt. Einige sind auch dort geblieben, nachdem sie festgestellt hatten, dass ihnen vonseiten des Franco-Regimes keine Auslieferung drohte. In Südspanien sind um 1950 regelrechte Altnazikolonien entstanden. Einige der Untergetauchten brachten es dank ihres im Krieg erworbenen Fachwissens und ihrer militärischen Kontakte als Waffenhändler zu einigem Erfolg.«
»Das würde erklären, woher Kampowskis Vermögen stammt.«
»Ja.«
»Hör mal.« Kimski sieht auf die Uhr. »Maria war nicht in der Villa, aber der Alte hat mir eine Adresse in Mannheim gegeben, wo sie sich aufhalten soll. Ich fahre jetzt dorthin. Ich wollte dich fragen, ob du mitkommen willst.«
Für einen Moment lächelt sie ihn an.
»Und, was ist?«, fragt Kimski.
»Ich würde gerne. Aber ich versuche gerade, etwas über Jonathan Lautenbach herauszufinden.«
»Den Historiker?«
»Genau den. Denn wenn sein Tod mit dieser Geschichte zusammenhängt, könnte er ein weiterer Schlüssel sein, um noch größere Klarheit zu schaffen. Kümmere du dich um Maria und ich versuche, mich aus einer anderen Perspektive dem Fall zu nähern. So bekommen wir die fehlenden Puzzlestücke schon zusammen.«
»Du hast recht. Bin gespannt, was du herausfindest.«
Er geht zur Tür und Eva will ihm die Akte reichen.
»Nein. Am besten bleiben die Dokumente bei dir. Sie sind zu wertvoll, als dass ich sie mit mir herumtragen sollte.«
»Okay.«
Kimski steht bereits in der Tür.
»Pass auf dich auf«, sagt sie. »Irgendwo da draußen ist immer noch jemand mit der Fechtmaske unterwegs und ...«, sie stockt, dann gibt sie ihm einen Kuss auf die Wange.
Er spürt ihren Atem auf seiner Haut und er fühlt sich gut an. »Mir passiert schon nichts.«
»Schalt dein Handy ein.«
»Mach ich.«
»Und ruf mich jederzeit an, wenn du etwas herausgefunden hast.«
Die Gestalt sitzt in einem Auto und beobachtet den Hauseingang. Als Kimski auf die Straße tritt, atmet sie aus. Der Privatdetektiv hat die Akte nicht mehr bei sich, umso besser. Dann müssen die Unterlagen noch in dem Haus sein – bleiben können sie dort aber nicht.
Kimski läuft direkt auf das Auto zu, also rutscht die Gestalt tiefer den Sitz hinab. Wenige Sekunden später ist Kimski an dem Wagen vorbei. Die Gestalt nimmt ihre ursprüngliche Position wieder ein und starrt in den Seitenspiegel.
Kimski ist jetzt an seinem eigenen Auto. Er steigt ein und fährt davon. Gut. Die Gestalt tastet nach der Fechtmaske, die sie neben sich auf dem Beifahrersitz liegen hat, und wartet noch einen Moment, bis sie aussteigt.
Die Auffahrt der Kampowski-Villa liegt unbeleuchtet im Dunkel zwischen den Bäumen. Stille hat sich über den Berg gelegt. Das Gekicher zweier angetrunkener Menschen zerreißt urplötzlich die Ruhe. Lisa hängt in den Armen eines jungen Kerls.
»Wow«, ruft dieser, als er die Umrisse des Anwesens wahrnimmt.
»Ist das Disneyland? Sicher, dass wir hier so einfach, na ja, du
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